beiseite
: Charlotte Roche, Dirk von Lowtzow und Bela B. wollen ein Medium verjüngen

Wo aber bleibt die Zweitbeschäftigung?

Hörbücher sind was für Oberstudienratsgattinnen, die beim Bügeln und Kochen Hörbücher hören und spülend und putzend auf ihren Mann warten, der Hörbücher hörend im Stau steht. Für diese Zielgruppe ist der Markt erschlossen: Es gibt Hörbücher, auf denen Christine Kaufmann erotische Geschichten liest (für den Autofahrer), es gibt eine große Auswahl für die Hausfrau: Ernste deutsche Dichter lesen ihre Lyrik, Elke Heidenreich liest Dorothy Parker, diverse deutsche Schauspieler lesen ihre liebsten amerikanischen Autoren. Was aber, wenn man jung ist, kein Auto hat und Hausarbeit verachtet?

Sieht man mal von den Mitschnitten von Lesungen diverser Popliteraten ab (Christian Kracht, Benjamin von Stuckrad-Barre usw.), musste sich die Zielgruppe der um die Zwanzigjährigen bislang selten angesprochen fühlen. Das soll jetzt anders werden: Charlotte Roche, Deutschlands angenehmste Musik-TV-Moderatorin, Dirk von Lowtzow von Tocotronic und Bela B. von den Ärzten sind nun auf den Zug aufgesprungen. Das Medium Hörbuch will jünger werden.

Was würde besser zu Charlotte Roche passen als Nick McDonells Roman „Zwölf“, dieser rotzige Roman mit vielen kurzen Sätzen über Mädchen und Jungen, Drogen und Waffen in New York, den Charlotte Roche mit ihrer schnoddrigen Stimme, ihrem charmanten „manschma“ und „aba“ intoniert? Klar, dass Dirk von Lowtzow, der sich mit seiner manierierten Dösigkeit schon lang zum Gruftidasein bekennt, ausgerechnet H. P. Lovecraft zum Lesen ausgesucht hat, diesen Meister des Makabren. Originell auch Bela B. mit seinem „The KLF -Handbuch“, in dem der schnelle Weg zum Nr.-1-Hit beschrieben ist. Ob die Ärzte mit diesem Buch als Anleitung so berühmt geworden sind? Das ist ja alles ganz wunderbar witzig, denkt man sich, fragt sich aber auch, was er nebenher machen soll, der Mensch um die zwanzig oder dreißig, der mit Charlotte Roche, Dirk von Lowtzow und Bela B. etwas verbindet, aber kein Auto hat und Hausarbeit hasst. Er setzt sich aufs Bett und lauscht. Soll aufpassen, kann nicht aufpassen. Kann nicht innehalten, zurückblättern, wird schläfrig deshalb, sackt weg, Mist, das Geplapper nervt jetzt, wo war noch mal der Faden?

Es ist mehr als fraglich, ob es wirklich klappen wird mit dieser Verjüngung des Hörbuches. Auch wenn demnächst Herbert Grönemeyer Dostojewski liest, Wir Sind Helden „Das Kapital“ und Xavier Naidoo das Alte Testament – das Problem, dass erst noch eine Zweitbeschäftigung für Twentysomethings erfunden werden muss, damit sie nebenher Hörbücher hören, ist noch nicht gelöst.

SUSANNE MESSMER