Saboteure mit roten Socken

Der Antikommunismus war der Kitt der westdeutschen Gesellschaft. Klaus Körner erzählt seine Geschichte

Die historische Bedeutung des Antikommunismus ist sicherlich kaum zu unterschätzen. Er war der Kitt, der die frühe Bundesrepublik zusammenhielt. Viele umstrittene Entscheidungen wurden durch den Antikommunismus erleichtert, allen voran die Westorientierung und die Wahlerfolge der CDU.

Seit dem Mauerfall haben sich zahllose Forschungsprojekte mit der Geschichte des realen Kommunismus beschäftigt. Dessen mentale Bedeutung für die Bundesrepublik wurde jedoch kaum untersucht. Obwohl der „Antimarxismus“ bereits seit dem Kaiserreich unterschiedliche Milieus mobilisierte, gibt es bislang keine Kulturgeschichte dieser Angstfigur.

Klaus Körners Titel verspricht nun einen Überblick über die antikommunistische Propaganda in der Bundesrepublik. Allerdings verrät schon das Inhaltsverzeichnis, dass man keine wirkliche Gesamtdarstellung erwarten darf. Den Schwerpunkt bilden die Fünfzigerjahre, also die Blütezeit des Antikommunismus. Dabei betrachtet Körner vor allem die Arbeit des „Volksbunds für Freiheit und Frieden e.V.“ (VFF) und dessen Hauptaktivisten Eberhard Taubert.

Diese Einschränkung scheint vertretbar, denn zweifelsohne gehörte der VFF zu den wichtigsten antikommunistischen Propagandagruppen der Nachkriegszeit. 1950 wurde er von dem Hamburger Zeitungsverleger Franz Wilhelm Paulus gegründet, der sich zuvor in der CDU engagiert hatte. In dem Verein mit dem orwellschen Namen engagierten sich zahlreiche Antikommunismus-Experten aus den nationalsozialistischen Ministerien. Der stellvertretende Vorsitzende Eberhard Taubert war der schillerndste und aktivste unter ihnen. Er hatte seine Karriere 1931 als Antibolschewismus-Referent in der Gaupropagandaleitung der NSDAP begonnen. Ab 1933 arbeitete er in Goebbels’ Ministerium und stieg bis zum Ministerialdirektor auf. Zudem übernahm er die Leitung des Gesamtverbandes antikommunistischer Organisationen. 1945 nannte sich Taubert sicherheitshalber für einige Jahre Dr. Erwin Kohl, um seine zweite Karriere zu starten.

Nicht nur personell, sondern auch inhaltlich knüpfte der VFF an die antikommunistische Propaganda des Nationalsozialismus an. Wie Körner zeigt, standen etwa ihre Antisabotageplakate in dieser Tradition. „Halt den kommunistischen Saboteuren. Sicherung der Bahnanlage ist Sicherung Deines Lebens!“ lautete eines dieser Plakate, das die Angst vor der kommunistischen Unterwanderung schürte. Wie andere antikommunistische Gruppen wurde auch die Arbeit des VVD verdeckt durch Steuermittel finanziert. Zu den Zahlungen des Bundespresseamtes und des Gesamtdeutschen Ministeriums kamen Gelder von US-Geheimdiensten hinzu.

Zugleich zeigt Körners Studie die Grenzen, die den Propagandisten gesetzt wurden. Tauberts Gesuch, in den öffentlichen Dienst aufgenommen zu werden, lehnte Adenauer ab. Taubert solle stattdessen seine Propagandaarbeit mit verdeckten staatlichen Mitteln weiterführen. Die Öffentlichkeit griff ebenfalls ein. Als der Spiegel im August 1955 über Tauberts Karriere und seine staatliche Alimentierung berichtete, musste er seinen Posten räumen. Dennoch konnte er noch einige Jahre mit Regierungsgeldern gegen den Kommunismus kämpfen.

Die Abschnitte über den VFF lesen sich spannend und reißen wichtige Fragen an. Körners Schilderung baut auf einzelnen Archivakten auf. Viele Einschätzungen verdankt er Gesprächen mit Beteiligten. Zugleich zeigen bereits diese detaillierten Abschnitte die Schwäche des Buches. Welche Wirkungsmacht die Propaganda im Westen hatte, wird kaum diskutiert. Die Hinweise auf die kleinen Auflagen der antikommunistischen Bücher deuten zumindest an, wie begrenzt das öffentliche Interesse daran war. Andere antikommunistische Organisationen, wie die „Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise“, finden so gut wie keine Erwähnung. Stattdessen erhalten Taubert und der VFF mehr Raum als die gesamte antikommunistische Propaganda von 1960 bis 1989.

Das bürgerliche Lager hatte kein Monopol auf den Antikommunismus. Körner beschreibt anschaulich die sozialdemokratischen Organisationen und Aktionen, die in den Fünfzigerjahren gegen den Kommunismus kämpften. Besonders in Berlin waren sie aktiv. So ließen sie Ballons in die DDR fliegen, die nach präzisen Berechnungen platzten, um über Städten Flugblätter abzuwerfen. Fraglich ist allerdings, ob man die Geschichte des Antikommunismus nur entlang von Organisationen untersuchen kann. Dass die Bild-Zeitung seit den Fünfzigerjahren über die „KZs in der Zone“ berichtete, war vermutlich wirksamer als alle VFF-Broschüren zusammen. In der DDR dürfte vor allem das kaum erwähnte West-Fernsehen für eine „antikommunistische Propaganda“ gesorgt haben.

Wenig ergiebig sind die Abschnitte über den Antikommunismus der letzten Jahrzehnte. Völlig unverständlich bleibt, warum Körner seitenlang den Verlauf der Wiedervereinigung beschreibt, über die Fortführung der „antikommunistischen Propaganda“ im Westen jedoch kaum etwas, obwohl sich dies gerade im Hinblick auf die PDS angeboten hätte. Die Rote-Socken-Kampagne von 1994 wird nur beiläufig mit einem Satz erwähnt. Sie sei „ohne sichtbare Resonanz“ geblieben. Tatsächlich galt sie bei den meisten Beobachtern als Erfolg und ist bis heute im öffentlichen Bewusstsein präsent. Körner fragt nicht, warum ähnliche Antikommunismus-Slogans der CDU 1998 kaum noch Beachtung fanden.

Insgesamt hinterlässt das Buch daher einen etwas zwiespältigen Eindruck. Es schildert interessante Aspekte über den organisierten Antikommunismus der Fünfzigerjahre. Eine konsistente Darstellung des Phänomens, die mehrere Jahrzehnte umspannt, steht aber weiterhin noch aus. FRANK BÖSCH

Klaus Körner: „,Die rote Gefahr‘. Antikommunistische Propaganda in der Bundesrepublik 1950–2000“, 208 S., Konkret-Literatur, Hamburg 2003, 15 €