stimme der literatur
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Eigentlich ist es eine gute Idee, Raucher über eine Tabaksteuererhöhung für die von ihnen verursachten Kosten im Gesundheitswesen aufkommen zu lassen. Allerdings müssten gleichzeitig die Nichtraucher höhere Rentenbeiträge zahlen, um die durch ihre gesunde Lebensweise verursachte übermäßige Belastung der Rentenkassen zu kompensieren. Erhöhung der Tabaksteuer plus Zusatzabgaben für Jogger, das wäre gerecht. Pech für Leute, die rauchen und joggen, aber wer das beides schafft, ist eh bloß ein Sonntagsraucher.

Aber die Idee der sozialen Gerechtigkeit ist von der Politik sowieso aufgegeben worden. Kranke sollen über Selbstbeteiligungen immer mehr zahlen, während Gesunde von ihren Krankenkassen mit Bonussen belohnt werden. Das ist doch fies! Kranke, ich meine richtig Kranke, sind doch sowieso die Dummen. Ihre Lebensqualität ist gering und sie haben nicht einmal nicht dieselben Möglichkeiten wie ein gesunder Mensch, Geld zu verdienen. Der einzige Trost, der ihnen bleibt, ist, dass sie im Schnitt eher sterben als Gesunde und deshalb nicht so lange leiden müssen, wie diese ihr Leben genießen können. Und dafür sollen sie noch draufzahlen.

Müsste man nicht viel eher davon ausgehen, dass Gesunden ihre Gesundheit ruhig etwas mehr wert sein sollte als bisher, und sie mehr zahlen lassen? Eine Politik, deren Ziele Wirtschaftswachstum und Schuldenabbau sind, vergisst, dass die Bevölkerung aus Leuten und nicht aus Zahlen besteht. Was nutzt einer einsamen alten Frau eine günstige Wachstumsprognose, und was hat ein Depressiver von einem ausgeglichenen Staatshaushalt?

Vielleicht liegt meine Zukunft ja in der Politik. Ich habe ja schon ein paar gute, unkonventionelle Ideen. Überhaupt würde ich die ganze Ausrichtung der Politik ändern. Mein erklärtes Staatsziel wäre, die Deutschen zum glücklichsten Volk der Welt zu machen. O.k., das wurde vor 60 Jahren auch schon mal versucht, aber damals, indem man andere Völker unglücklich machte. Ich würde anders herangehen, und der Rest der Welt wäre eingeladen, mit uns glücklich zu werden. Und wenn ein anderes Land uns glücksmäßig überholt, dann würden wir uns mit ihm freuen. Denn Neid würde uns nur wieder von unserem Ziel entfernen.

Kann natürlich sein, dass ich Deutschland zugrunde richte, wenn ich Kanzler werde. Aber warum soll das Land immer von herkömmlichen Politikern auf herkömmliche Weise zugrunde gerichtet werden? Wenn, wie überall zu lesen ist, sowieso alles vor die Hunde geht, warum dann nicht mit ein bisschen Pfiff? VOLKER STRÜBING