„Mach sie mir begabter!“

Muss Zukunftsmusik elektronisch klingen? Ein Gespräch mit dem Filmkomponisten Peter Thomas, der die Musik zu „Raumpatrouille Orion“ schuf. Sein Vorgehen lautete: Film gesehen, Musik gemacht

Interview JAKOB BUHRE

taz: Herr Thomas, der Produzent Horst Wendlandt, mit dem Sie sehr viel zusammengearbeitet haben, soll zu Ihnen einmal gesagt haben: „Komponiere, was du willst, es darf nur nicht viel kosten.“ War das in den 60ern und 70ern die Regel?

Peter Thomas: Ja, wenn damals ein Film abgedreht war, dann war am Schluss für die Musik immer nur sehr wenig Geld übrig. Die Musik sollte billig sein, aber sie sollte wirken, toll klingen und dem Film helfen. Das hat die Fantasie beflügelt, weil du dir alles überlegen musstest – immer mit dem Gedanken im Hinterkopf: „Mehr Geld haste nicht.“

Sie waren damals neben Martin Böttcher oder Hans-Martin Majewski einer der wichtigsten deutschen Filmkomponisten. Heute fehlen der Filmmusik-Szene hierzulande solch zentrale Figuren. Woran liegt das?

Ich denke, das liegt vor allem daran, dass die Filmgestalter heute andere sind. Es gibt nicht mehr den Mogul, der sagt: „Ich bin verantwortlich, ich mache das.“ Leute wie Horst Wendlandt, die noch den Mut zur Verantwortung hatten, sind längst Vergangenheit. Den Komponisten wird heute zu wenig vertraut, es wird nur noch experimentiert. Man lässt die Komponisten antanzen, ein Stück Musik entwerfen, und dann fragt der Produzent: „Ob das unseren Film trägt?“ – obwohl er von Musik möglicherweise gar keine Ahnung hat.

Ist das ein Problem der Ausbildung?

Nein, es gibt ja ein paar, die in Deutschland Filmmusik lehren. Aber natürlich müssen das auch Leute sein, die Filmmusik beherrschen und nicht nur „Professor für Filmmusik“ sind. Die traditionelle Musik kann man an den Hochschulen lernen, das sollte man auch vorher. Ich glaube sowieso, dass es ganz wichtig ist, nicht von vornherein zu versuchen, Filmmusik zu machen, sondern erst mal die Basis zu erlernen.

Wie kamen Sie denn zur Filmmusik?

Ich habe in den 50ern in einem Berliner Studio des Nordwestdeutschen Rundfunks die Sendung „Berliner Feuilleton“ mit einem kleinen Ensemble live begleitet. Dort wurden jeden Mittwoch aktuelle Kulturereignisse besprochen, also zum Beispiel der Tod Thomas Manns oder die Opernpremiere „König Hirsch“ von Hans Werner Henze. Als es um den Tod Manns ging, musste ich etwas Trauriges spielen und dann überleiten zum „König Hirsch“, den ich mir dafür extra noch am Vorabend angeguckt hatte. Fünf Jahre lang habe ich für diese Sendung komponiert, das hat mich geschult. Denn im Grunde war das schon wie Filmmusik, nur eben ohne Film, sozusagen Radiomusik nach Themen. Und irgendwann fragte man mich, ob ich nicht auch Filmmusik komponieren würde. Mein Debüt hatte ich 1958 mit dem Dokumentarfilm „Dem deutschen Volke“.

Sie haben Musiken für Western komponiert, für Kriminalfilme, für die „Raumpatrouille“ – wie haben Sie versucht, sich den verschiedenen Genres anzunähern?

Gar nicht. Film gesehen, Musik gemacht. Ich habe mir überlegt, wie der Film auf mich wirkt. Wenn im Film der tote Indianer auf dem Pferd reitet, rückwärts denkt und Tango spielt, dann fragte ich mich: Wie kannst du den netter machen? Einmal kam auch ein Regisseur zu mir und sagte: „Guck dir mal das Mädchen an, ist sie nicht schön? Mach sie mir bitte begabter!“ Also habe ich für die nicht begabte Schauspielerin eines begabten Regisseurs Geigen genommen. Solche Aufgaben hat die Filmmusik auch: die Schauspieler begabter machen.

Und Sie haben immer erst angefangen zu komponieren, wenn die Bilder fertig waren?

Natürlich, alles andere wäre Quatsch. Ich kann doch nicht aufgrund eines Buches eine Filmmusik schreiben – so begabt bin ich nicht. Wenn man die Musik vorher schreibt, dann passt sie vielleicht dem Regisseur, aber sie soll ja auch zum Film passen.

Eins Ihrer populärsten Werke ist die Musik zu „Raumpatrouille Orion“. Wie sind Sie damals an diesen Zukunftsfilm herangegangen, in Bezug auf die Wahl der Instrumente?

Ich habe damals kein einziges Instrument verwendet, das man heute als Synthesizer oder Ähnliches bezeichnen würde, ich wollte nicht so viele elektrische Töne. Das einzige Elektrische waren ein Bass, eine E-Gitarre und die Hammond-Orgel.

Sie wollten also keine „Zukunftsmusik“?

Ich dachte mir, die Zukunft kann ich lieber kompositorisch ausdrücken, indem ich zum Beispiel neutönerische Geigenpassagen eingeflochten habe. Ich war ja schon immer so ein Eigenartigmelodiker.

Haben Sie damals Science-Fiction-Romane gelesen?

Nein, nie. Ich habe ja auch einige Musiken zu Edgar Wallace-Filmen geschrieben, ohne je ein Buch von ihm gelesen zu haben.

War das mehr ein Zeit- oder ein Interessenproblem?

Ein Interessenproblem. Ich bin eben ein visueller Onkel, meine Inspiration bekomme ich von den Bildern.

„Raumpatrouille Orion – Producer’s Cut“, Regie: Michael Braun u. Theo Mezger. Mit Dietmar Schönherr, Eva Pflug u. a., Deutschland 2003, 90 Minuten