Der Wolf und die Schlange

von BEATE SEEL

Nichts in ihrem Leben hat sie auf die Rolle als Guerillaführer vorbereitet, zu denen sie jetzt um des politischen Erfolges willen stilisiert werden. Udai und Kusai, die Söhne von Saddam Hussein, wuchsen in Saus und Braus auf. Dass ein Großteil der Iraker wegen der verbrecherischen Politik ihres Vaters in Not und Armut lebte, war ihnen egal. Da musste es schon der beste aus Europa eingeflogene Whiskey sein. Den zweiten Golfkrieg verbrachten sie auf einem Landsitz von Udai. „Wir tranken und spielten Karten und sahen zu, wie die Marschflugkörper über uns hinwegflogen“, berichtete ein Freund der beiden den amerikanischen Journalisten Leslie und Andrew Cockburn, als sie den Brüdern und ihrer Clique zufällig im Februar 1992 in einem Bagdader Nobelrestaurant begegneten. Ein Leben auf der Flucht – eine realistischere Perspektive – hätte da besser gepasst. Das ist schließlich das gemeine Los eines Kriminellen, wenn er erwischt wird – oder wenn er seine Protektion verliert.

Udai und Kusai, 39 und 37 Jahre alt, kamen am Dienstag in der nordirakischen Stadt Mossul bei einer US-amerikanischen Militäraktion ums Leben. Die „Löwenjungen“ – der Löwe war selbstverständlich Saddam – standen ihrem Vater an Gewalt und Grausamkeit in nichts nach. Udai, der auch „Wolf“ genannt wurde, war sogar noch verhasster als sein jüngerer Bruder. Im Gegensatz zu Kusai („Schlange“) betrieb er seine Exzesse in aller Öffentlichkeit. Beide verkörperten auch die Zukunft des Saddam-Regimes, wenngleich sie Rivalen waren. Zunächst war Udai, später Kusai der designierte Nachfolger.

Udai wurde 1964 als ältestes der fünf Kinder Saddam Husseins und seiner Frau Sadschida geboren. Der Vater saß damals gerade im Gefängnis, nachdem die Baathpartei durch einen Putsch vorübergehend von der Macht vertrieben worden war. Saddam sagte einmal, Udai sei schon als Baby ein politischer Aktivist gewesen. Udai war 15 Jahre alt, als sein Vater Präsident wurde. Er studierte an der Universität von Bagdad Politikwissenschaften, glänzte durch häufige Abwesenheit bei den Lehrveranstaltungen und fiel durch seine Jagd auf junge Frauen auf.

Menschenrechtsgruppen und Exiliraker warfen ihm vor, Frauen auf offener Straße entführt, vergewaltigt und manchmal gefoltert zu haben. Außerdem soll er persönlich die Folter und Erniedrigung hunderter Gefangener überwacht haben. Offiziell war er seit 1988 verheiratet, mit der Tochter des Stellvertreters von Saddam Hussein.

Zu Macht und Gewalt gesellte sich die Gier als treibendes Motiv seines Handelns. In seiner Villa wurden nach dem Fall Bagdads kistenweise Alkohol, Waffen und Luxusautos gefunden – insgesamt soll er 20 Rolls Royce besessen haben.

Innerhalb des Familienclans sorgte Udai immer wieder für Fehden und schreckte auch vor Gewalt nicht zurück. 1988 erschlug er den Vorkoster seines Vaters, dem er vorwarf, Saddam mit seiner zweiten Frau bekannt gemacht zu haben. Deswegen kam er sogar vorübergehend ins Gefängnis, bis eine staatlich gelenkte Pressekampage an Saddam appellierte, dem Sohn zu verzeihen. Anschließend verbrachte Udai einige Zeit im Genfer Exil bei einem Onkel, musste die Schweiz aber verlassen, nachdem er mit einer Waffe erwischt wurde. Im August 1995 schoss er im Streit einem Onkel ins Bein. Außerdem soll er einen Mann getötet haben, der eine seiner Begleiterinnen zu interessiert angeschaut hatte.

Udais politische Karriere begann 1987, als er die Leitung des Irakischen Olympischen Komitees und des Fußballverbandes übernahm. Das Komitee weitete er zum Jugendministerium aus, weswegen der eigentlich zuständige Minister die Abschaffung seines Postens „in Übereinstimmung mit den Werten der Baath“ vorschlug. Dafür erhielt er von Udai eine Medaille. Das Komitee war wohl das einzige weltweit, das ein eigenes Gefängnis hatte – für erfolglose Sportler. Ein Reporter der New York Times, der das Gebäude nach dem Sturz des Regimes besuchte, sah dort alle möglichen Foltergeräte, unter anderem einen Sarkopharg, aus dessen Wänden und dem Deckel lange Nägel herausragten.

Mit Udais Karriere wäre es im Dezember 1996 fast vorbei gewesen. Bei einem Attentat, das er nur überlebte, weil er ausnahmsweise mal nicht am Steuer seines Wagens saß, wurde er schwer verletzt. Erst seit dem Sommer 1999 konnte er wieder ohne Krücken laufen.

Es waren die gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Familie, Udais Unberechenbarkeit und vermutlich auch das Attentat, die Saddam Hussein bewogen, seinen jüngeren Sohn Kusai für die Nachfolge vorzubereiten. 2001 stieg er in die Führung der Baathpartei auf. Im gleichen Jahr entging er einem Anschlag, bei dem zwei Leibwächter getötet wurden.

Kusai wurde 1966 geboren, studierte Jura, war mit der Tochter eines Generals verheiratet und hatte drei Kinder. Über sein Privatleben ist wenig bekannt. Bei der eingangs erwähnten Begegnung in dem Bagdader Restaurant gab sich Kusai den Journalisten zufolge zurückhaltend, fast schüchtern, mit Seitenblicken auf seinen Bruder, als ob er dessen Bestätigung suchte – ganz der kleine Bruder. Darauf angesprochen, lachte Udai: „Nicht mehr so ein Baby. Er kontrolliert alle Geheimdienste.“

Und nicht nur das. Seit 1999 machte ihn der Vater vollständig für seine persönliche Sicherheit zuständig. Kusai war der Kommandeur der Eliteeinheit Republikanische Garden und Leiter einer Spezialtruppe, die sich um die geheimen Quartiere kümmerte. Kusai wird zudem die Niederschlagung des schiitischen Aufstandes nach dem Ende des zweiten Golfkrieges 1991 zur Last gelegt. Außerdem heißt es, er habe mit Vollmacht seines Vaters Opponenten festnehmen, foltern und töten lassen. Auch beim Versteckspiel mit den UN-Inspektoren, die ab 1995 die im Irak vermuteten Massenvernichtungswaffen suchten, soll er eine Rolle gespielt haben.

Eine spektakuläre Geschichte stammt aus den ersten Tages des letzten Krieges. Kusai soll damals eine Milliarde Dollar aus der Zentralbank des Landes geschafft haben. Nach einem Bericht der New York Times waren drei Traktoren nötig, um das Geld wegzuschaffen.

Doch auch Udai verschwand nicht von der Bildfläche. Trotz der väterlichen Ungnade brachte er es auf 15 Posten. So war er Kommandeur der Elitetruppe „Fedajin Saddam“, Chef der Journalistengewerkschaft, Aufsichtsrat von sieben Zeitungen, einer Zeitschrift und einem Fernsehsender. Sein Medienunternehmen baute er zu einem Konzern aus, zu dem auch Transportgesellschaften, Hotels und Nahrungsmittelfabriken gehörten. Beide Söhne sollen sich in den Jahren des UN-Embargos im Schmuggelgeschäft enorm bereichert haben.

Udais und Kusais Leben auf der Flucht währte dreieinhalb Monate. Ob in dieser Zeit die Angst, die sie selbst so vielen Menschen eingejagt haben, ihr Begleiter war, kann man nur vermuten. Für ihre Taten jedenfalls können sie nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.