biller, buchverbot etc …
: Das „Esra“-Urteil

Angeschwärzt

Im Rechtsstreit mit seiner Exfreundin und deren Mutter ist der Schriftsteller Maxim Biller einen Schritt weiter gekommen, aber längst nicht am Ziel. Am Mittwoch hob das Oberlandesgericht München eine einstweilige Verfügung gegen den Roman „Esra“ (taz vom 23. 7.) auf, von dem sich die beiden Frauen in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sehen. Der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch verpflichtete sich im Gegenzug, monierte Passagen zu streichen. Das ist ein Kompromiss, mehr nicht, und sicher auch kein dauerhafter.

Denn ob Teile des Romans wirklich die Persönlichkeitsrechte der beiden Frauen verletzen, ist abschließend erst in einem Hauptsacheverfahren zu klären, dessen Urteil frühestens in einem halben Jahr zu erwarten sein dürfte, so das Gericht. Bis dahin darf der Roman jetzt veröffentlicht werden, allerdings nur mit umfangreichen Schwärzungen. So sind alle Straßen, Orte und Länder zu streichen, andernfalls droht eine Geldstrafe. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch erwägt nun, den Roman entsprechend „verstümmelt“ in den Handel zu bringen.

Geschwärzte Passagen? So etwas kannte man bisher doch nur bei Sachbüchern mit umstrittenen Tatsachenbehauptungen oder früher in Fällen von Pornografie. Im Bereich der Belletristik aber dürfte das Urteil ein Novum darstellen, dessen kuriose Nebenwirkungen man sich ausmalen kann: wenn die „Short Version“ des Romans dann im Buchhandel steht, erleichtert um allzu explizite Passagen, während unter Liebhabern und Fans unter der Hand der ungekürzte „Director’s Cut“ zirkuliert, in dem man die fehlenden Stellen nachlesen kann.

Natürlich, es geht um Grundsätzliches. Doch da zwischen Freiheit der Kunst und Schutz des Persönlichkeitsrechts bislang keine klaren Prioritäten gelten, kann es im Fall „Esra“ auch keine eindeutige Lösung geben. Das Gericht hofft nun, dass sich der Verlag und die Klägerinnen in der Zwischenzeit außergerichtlich einigen: sicher ein frommer Wunsch. DANIEL BAX