„Der Titel ‚Kunst aus dem Kongo‘ wäre besser“

Gerd Harry Lybke, Inhaber der Galerie Eigen + Art, findet es albern, zeigen zu wollen, dass DDR-Kunst immer auf der Höhe der Westkunst lag

taz: Herr Lybke, Sie vertreten als Galerist Künstler wie Carsten und Olaf Nicolai oder Neo Rauch, die in der Ex-DDR groß geworden sind. Rauch zitiert gern die DDR-Historienmalerei und das Werktätigenklischee. Kommt Ihnen eine Schau wie „Kunst in der DDR“ entgegen? Etwa, dass man den Hintergrund, das Erbe besser sieht?

Gerd Harry Lybke: Mit Nicolai und Rauch hat das nicht viel zu tun. Prinzipiell ist für mich der Blick interessanter, der in die Zukunft gerichtet ist. Und was eine Retrospektive angeht, fände ich es interessanter, wenn man gesagt hätte, man zeigt einmal die Zeitspanne von 1950 bis 1960. Was ist da in Deutschland passiert? Und zwar in beiden Deutschlands. Jetzt aber eine freiwillige Ausgrenzung zu machen, ohne zu beachten, dass sich die Kunst in der DDR und der Bundesrepublik doch immer aneinander gerieben haben, sich vor und zurück bewegt haben, finde ich absurd. Das ist eine Spezifizierung wie „die Kunst aus dem Kongo“.

Die Schau hat den Anspruch „The Best of GDR“ zu zeigen. Mit diesem Anspruch verbindet sich der Wunsch, einen Kanon zu bilden, also etwas vorzulegen, was in die Lehrpläne eingehen soll. Warum braucht es diesen Kanon?

Ich kann mir gar nicht vorstellen, was das bedeuten soll. Es gibt in der Kunst immer hervorragende Arbeiten, gleichgültig wo und unter welchen Umständen sie entstanden sind. Wobei das im Endeffekt doch immer eine Rolle spielt, und zwar im Werk selbst, da finden sich diese Umstände wieder. Ich habe mich heute mit Neo Rauch unterhalten und er sagte, es gäbe bestimmt fünfzig bis hundert sehr gute Bilder, die in der DDR entstanden sind. Aber daraus eine Ausstellung zu machen mit dem Thema Kongo. Das ist nicht gut.

Was berechtigt die Kuratoren die „ideologisch gefärbte“ Massenkunst auszuschließen, wo doch der ideologische Auftrag der Kunst klar war?

Ich denke, mit Massenkunst meinen sie wirklich den Sozialistischen Realismus, wie ihn Walter Womacka mit seinem großen Bild „Wenn Kommunisten träumen“ (1975) oder seinen Wandarbeiten wie am Haus des Lehrers auf dem Alexanderplatz vertrat. Gerade ihn dabeizuhaben, wäre mal eine interessante Sache gewesen. Mit einer Ausstellung den Anspruch zu verbinden: „Wir waren immer auf der Höhe der Zeit, wir waren abstrakt, konkret oder figürlich wie der Westen“ – das ist albern.

Der Künstler Via Lewandowski sagt, dass etwa im Fall der abstrakten Malerei eine kleine Nische nachträglich groß gemacht wird. Sehen Sie das auch so?

Es sind großartige Arbeiten von Hermann Glöckner in der Ausstellung zu sehen, die gar nicht hoch genug geschätzt werden können.

Aber warum macht man dann nicht gleich eine Ausstellung mit den Arbeiten von Glöckner?

Die gab es 1992 in der Neuen Nationalgalerie.

Wie war das, als Sie in Leipzig Anfang der 80er-Jahre in Ihrem Wohnzimmer auszustellen begannen?

Prinzipiell habe ich die Kunst ausgestellt, die nicht im staatlichen Kunsthandel der DDR vertreten war. Wer sein Bild dort verkaufte, der gehörte nicht zu mir.

Sind Sie behelligt worden?

Natürlich. Aber das war doch sexy. Es wäre schlimm gewesen, wenn es anders gewesen wäre.

Von den Künstlern, die Sie damals ausgestellt haben, sind da welche in der Ausstellung „Kunst in der DDR“ vertreten?

Nein, niemand. Sie sind einfach zu jung. Neo Rauch studierte noch, und Olaf und Carsten Nicolai stellten offiziell nicht aus. Doch generell würde ich sagen, die Aufregung um diese Ausstellung ist überflüssig. Die Ausstellung in Weimar 1999 „Aufstieg und Fall der Moderne“, die die DDR-Kunst parallel zur Nazi-Kunst vorführte, war dagegen wirklich grässlich und kunstfeindlich.

INTERVIEW: BRIGITTE WERNEBURG