Allein nach Afrika

Hamburgs Ausländerbehörde will Kinder abschieben, die bei ihren Müttern leben. Heute sollen sie nach Ghana gebracht werden – in ein Waisenhaus

„Alle Möglichkeiten ausschöpfen, die das Ausländergesetz bietet“

aus Hamburg ELKE SPANNER

Die Hamburger Abschiebepolitik dürfte bald Thema auf der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern (IMK) sein: Allein für diese Woche hat die Ausländerbehörde die Abschiebungen von vier Kindern geplant, die in der Hansestadt bei ihren Müttern leben und allein nach Ghana gebracht werden sollen – ins Waisenhaus. Die rot-grüne Opposition protestiert. Die GAL-Abgeordnete Antje Möller hat angekündigt, sich an Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) zu wenden und darum zu bitten, den Hamburger Abschiebekurs auf die Tagesordnung der nächsten IMK zu setzen.

Die ersten beiden Abschiebeversuche scheiterten nur daran, dass die 14-jährige Barbara O. und der gleichaltrige Thomas Akabori A. zu den vorgegebenen Terminen gestern und am Montag nicht am Flughafen erschienen. Gleich für heute früh hat die Ausländerbehörde einen weiteren Flug reserviert. Auch die Schwestern Silvia (13) und Gifty Oppong (14), die in Hamburg bei ihrer Mutter leben, sollen in der ghanaischen Hauptstadt Accra ins Waisenhaus.

Der Sachverhalt, der diesen Entscheidungen zugrunde liegt, ist in allen vier Fällen gleich: Die Mütter der Kinder sind mit einem Deutschen verheiratet und haben ein unbefristetes Bleiberecht. Erst als ihr eigener Aufenthaltsstatus abgesichert war, holten sie ihre Kinder nach Deutschland nach – illegal. Und weil sie ohne Visum kamen, argumentiert die Ausländerbehörde, hätten sie das Recht auf einen legalen Aufenthalt verwirkt.

Inzwischen hat Behördensprecher Norbert Smekal gegenüber der taz eingeräumt, nicht einmal zu wissen, wo genau die Kinder in Ghana untergebracht werden sollen. Sein Amt habe die Ankunft der Kinder den ghanaischen Behörden gemeldet. Diese seien dafür zuständig, sich um die vier zu kümmern. „Wir können ihnen ja nicht vorschreiben, in welches Waisenhaus sie die Kinder bringen sollen.“

Dem Verwaltungsgericht gegenüber hatte die Behörde behauptet, sich um die Unterkunft der Kinder gekümmert zu haben – woraufhin das Gericht die Abschiebungen absegnete. Die Ausländerbehörde hatte angekündigt, die Mädchen und Jungen entweder über das „Department of social welfare“ ins „Osu children’s home“ in Accra oder ins Kinderheim der Organisation „Children’s Helpwork for Ghana“ zu bringen. Nur: Das „Osu children’s home“ nimmt nach Recherchen der taz nur Babys und Kinder bis maximal 12 Jahre auf – die vier Betroffenen sind 13 und 14 Jahre alt. Und „Children’s Helpwork for Ghana“ unterstützt humanitäre Projekte vor Ort, führt aber selbst kein Kinderheim. Die Organisation wäre allenfalls bereit, eine Unterkunft für die vier zu suchen.

Trotz der Kritik an ihrem rigorosen Kurs hält die Ausländerbehörde an ihrem Plan fest, die Mädchen und Jungen nach Ghana zu bringen. Sprecher Smekal kündigte an, „alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die das Ausländergesetz bietet“. Eine erste Möglichkeit hatte das Amt bereits in dem Schreiben angedroht, mit dem es die Kinder aufforderte, am Flughafen zu erscheinen: Sollten sie nicht freiwillig kommen, kämen sie bis zum nächsten Flug nach Ghana in Haft.