Israel baut die Trennanlage weiter

Nach seinem Treffen mit US-Präsident Bush hält Scharon an seinem „Sicherheitszaun“ fest. Die Palästinenser befürchten eine Vorwegnahme der Verhandlungen über die künftige Grenze. Zwei besetzte Städte im Westjordanland sollen geräumt werden

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Einmal sind sich Israelis und Palästinenser einig: Premierminister Ariel Scharon ist als klarer Gewinner von seiner Reise nach Washington zurückgekehrt. Mit Genugtuung resümierte der israelische Regierungschef die Gespräche mit US-Präsident George W. Bush, der sich zwar angesichts der derzeit errichteten Trennanlagen „besorgt“ zeigte, seinen israelischen Gast dennoch nicht explizit zu einem sofortigen Baustopp aufforderte. Dies hatte sich hingegen der palästinensische Premierminister Mahmud Abbas (Abu Masen) erhofft, der nur wenige Tage vor Scharon das Weiße Haus besuchte. Er und Bush waren sich einig, dass der Bau der „Mauer“ umgehend eingestellt werden müsse. Im Anschluss an das Treffen mit Scharon übernahm der US-Präsident die israelische Terminologie und sprach von einem „Sicherheitszaun“, der lediglich „ein Problem“ darstelle.

Israel sei „gezwungen, den Sicherheitszaun zu errichten, um die Bürger gegen Terror zu schützen“, erklärte Scharon im Beisein Bushs vor Journalisten und beharrte auf seinem Standpunkt, den Bau fortzusetzen, allerdings mit temporär leicht veränderter Route. So soll Ariel, eine jüdische Siedlung, die unmittelbar an Hebron angrenzt und um die, der ursprünglichen Planung zufolge, in Kürze ein Schutzwall hätte gezogen werden sollen, zunächst bis Ende des Jahres aus dem aktuellen Bauplan gestrichen werden.

Scharon versprach, „jede Anstrengung zu unternehmen, um die Beeinträchtigung des palästinensischen Alltags zu minimalisieren“. Ferner kündigte er die Räumung weiterer zwölf so genannter Siedlervorposten an. Zu einem Baustopp in bereits bestehenden Siedlungen, wie es der Friedensplan „Roadmap“ bereits in der ersten Phase vorschreibt, äußerte sich der israelische Regierungschef nicht öffentlich.

Für die Palästinenser wird der aus Zäunen, Mauern, Gräben und elektronischen Warnanlagen bestehende Schutzwall, der in der „Roadmap“ keine Erwähnung findet, zunehmend zum Problem. Ganze Ortschaften, wie die Stadt Kalkilia, werden durch die Anlagen von der Umgebung regelrecht abgeschnitten. Ferner fürchten die Palästinenser, dass die „politische Mauer“ eine Rückkehr zur alten israelisch-jordanischen Grenze von 1967 erschweren wird. Die Trennanlage reicht nämlich zum Teil mehrere Kilometer ins besetzte Gebiet hinein und greift den Verhandlungen um dem endgültigen Grenzverlauf vor. Diese Sorge hatte auch die nationale US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice im Verlauf ihrer Nahostreise geäußert.

Der palästinensische Informationsminister Nabil Amr nannte die Fortsetzung des „Mauerbaus“ ein „Hindernis für die Roadmap“. Von der Hamas wurden bereits Drohungen laut, die zunächst bis Ende September festgelegte Feuerpause zu beenden, sollte der Bau der Trennanlagen fortgesetzt werden. Abdelasis Rantisi, Sprecher der Hamas im Gaza-Streifen, sieht das Treffen zwischen Bush und Scharon als „Beweis für die volle Kooperation zwischen Israel und den USA gegen die Palästinenser“.

Optimistisch stimmt die palästinensische Führung derzeit nur der bevorstehende Truppenabzug aus zwei weiteren Städten. Für gestern Abend war ein Treffen zwischen dem israelischen Verteidigungsminister Schaul Mofas und dem palästinensischen Minister für Sicherheitsangelegenheiten Mohammad Dahlan geplant, bei dem Einzelheiten des Rückzugs, voraussichtlich aus Jericho und Kalkilia, abgestimmt werden sollten. Offen ist nach wie vor der Termin der Gefangenenentlassung. Israel hatte bereits für Anfang dieser Woche eine Amnestie der ersten 540 Häftlinge angekündigt.

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