daumenkino
: „Amores Possíveis“

Parallele Plots

Wenn Mutter die Beste ist, wer ist dann der Zweitbeste? Glaubt man der Regisseurin Sandra Werneck, kann sich auf dem zweiten Platz Polymorphes tummeln. Denn das sexuelle Verlangen des Mannes ist fragil und luftig.

Carlos steht im Regen und wartet auf eine Frau. Aber Julia lässt ihn stehen. 15 Jahre später ist er verheiratet und trifft Julia wieder. Sie ist nun eine aufregende Künstlerin, und er verbringt mit ihr den zweiten Frühling einer wilden und kreativen Liebe in einem Rio de Janeiro der tropischen Farben.

Carlos lebt aber auch bei der Mutter. Dorthin schleppt er gepiercte Frauen und ist auch sonst mit der Suche nach idealen Partnern beschäftigt. So teilt er auch Tisch und Bett mit einem Mann. Als sein altkluger Sohn aus erster Ehe zu Besuch kommt, scheint sich hier das Ideal einer alternativen Familie zu verwirklichen.

In die Drei- oder Mehrecke, die in „Amores possíveis“ ausgelegt werden, ist nicht leicht Ordnung zu bringen. Frisuren, Ziegenbärte und Bleichmittel stiften eine gewisse Verwirrung. Manche Figuren sind erst nach einer Weile als dieselben zu erkennen. Oder sollte man sagen: als die gleichen? Die diskontinuierliche Erzählweise hat es eindeutig darauf abgesehen, das hitchcocksche Paradox der gelogenen Rückblende mit dem gehobenen Möglichkeitssinn von Resnais’ „Smoking/No Smoking“ zu verbinden. Wernecks Parallelgeschichten sind Erzählungen im Konjunktiv. Sie setzen voraus, dass sich ein Leben von jedem Punkt aus in jede Richtung entwickeln kann. Doch trotz der unendlichen Möglichkeiten umkreisen die verschiedenen Storys immer ein recht ähnliches Zentrum. Dort darf Carlos sich als liebenswerter Schwerenöter treu bleiben. Manchmal dringt aber doch etwas wie Ernst heraus. Denn die Wahlmöglichkeit produziert ihre eigenen Opfer. Als verlassene Mutter sagt Julia einmal: „Ich hasse die Person, die du aus mir gemacht hast.“ Ansonsten werden die Modernisierungsszenarien im goldenen Licht der telenovela belassen. Selbst die Homogeschichte endet freundlich. Carlos darf sich weiter zwischen bitchiness, Handschellen und Blumenpflege verausgaben.

MANFRED HERMES

„Amores Possíveis – Mögliche Lieben“, Regie: Sandra Werneck. Mit Murilo Benício, Carolina Ferraz u. a. Brasilien 2001, 96 Min.