Private Mauern

Die bundesweite Einführung des digitalen Fernsehens über Antenne droht an den Privatsendern zu scheitern – sie wollen staatliche Zuschüsse

von JÜRGEN BISCHOFF

Wenn am Montag in Berlin und Umgebung um 8.00 Uhr das analoge terrestrische Fernsehen endgültig abgeschaltet wird, dann stellt sich die Frage für den Rest der Republik: Wann sind wir dran? Ginge es nach der Politik, der Telekom und den Öffentlich-Rechtlichen, wären schon ab 2004 zwischen Köln/Bonn und dem Ruhrgebiet und von Braunschweig bis zu den Großstädten an Nord- und Ostsee Digitalsignale über Hausantenne zu empfangen. Ende 2005 würden auch dort die analogen Sender abgeschaltet.

Doch die Privaten bremsen. Seit einiger Zeit liegen die Texte zu gemeinsamen Vereinbarungen vor. Es geht um gleichwertige Ausstrahlungsbedingungen für Private und Öffentlich-Rechtliche, um Abschaltedaten für analoge Sender, um die Attraktivität des analogen Fernsehens zu senken. Aber vor allen Dingen geht es um Geld.

Die Privaten fordern Zuschüsse für die terrestrische Digitalverbreitung. Andreas Hofmann von RTL: „RTL gibt schon jetzt 50 Prozent seiner Programmverbreitungskosten für die Terrestrik aus, erreicht damit aber nur 1,75 Millionen Haushalte. Das sind gerade mal 6,4 Prozent.“

Die privaten Sender haben eine gute Verhandlungsposition: Wenn sie nicht terrestrisch ausstrahlten, stünden die Öffentlich-Rechtlichen alleine da und die Zuschauer würden auf Satellit oder Kabel umschwenken.

Nur ein Hauptgewinn

Nach Berechnungen der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien müssten in den nächsten vier Jahren bis zu 24,3 Millionen Euro Zuschüsse aufbracht werden, um das terrestrische digitale Fernsehen in NRW auf Sendung zu bringen. Dass möglicherweise für die terrestrisch bislang nicht empfangbaren Tochtersender der großen Privatgruppen (Pro 7, Kabel 1, RTL 2) durch die Ausweitung der Zuschauerbasis per DVB-T neue Werbemärkte erschlossen werden, interessiert da wenig.

Für die RTL-Gruppe bezifferte sich der Mehraufwand für die terrestrische Ausstrahlung in NRW auf 0,78 Millionen Euro pro Jahr, weniger als ein Hauptgewinn bei „Wer wird Millionär?“. Auf Bundesebene würde DVB-T die RTL Group pro Jahr abzüglich der Einsparungen für die analoge Ausstrahlung etwa 12 Millionen Euro kosten.

Doch Ursula Adelt, Geschäftsführerin des Privatfunkverbandes VPRT, sagt: „Wir wollen erst einmal fundierte Zahlen über die exakten Reichweiten im Berlin-Brandenburger Projekt abwarten. Die sollen im Herbst vorgelegt werden. Klar aber ist: Ohne Förderung können wir nicht einsteigen.“

Die komplizierte Gemengelage stellt die gesamte Zukunft des digitalen terrestrischen Fernsehens in Frage. Wenn nicht bald eine Region auf Berlin/Brandenburg folgt, erlischt das Interesse bei allen Beteiligten. Die Hauptstadtregion wäre die einzige Digitalinsel in Deutschland. Dann dürfte wohl gegen 2010 auch dort die terrestrische digitale Verbreitung wieder abgeschaltet werden.