Ohne Freizeit auf der Alp

Was dem Bayern und dem Österreicher die Alm, ist dem Schweizer die Alp. Mitte Juni beginnt in der Schweiz der Alpauftrieb: Die Bauern bringen ihre Kühe, Rinder und Ziegen auf die hoch gelegenen Sommerweiden. Hier liegt der Arbeitsplatz der Älpler – eine dreimonatige knapp bezahlte und sehr anstrengende Saisonarbeit.

„Eine Alp ist eine in Gebirgsgegenden an der oberen Grenze der produktiven Zone gelegene, mit den nötigen Hütten und allenfalls mit Viehställen ausgestattete Weidefläche“, heißt es in dem 1941 erschienenen Buch „Das Alpwesen Graubündens“ des Schweizer Volkskundlers Richard Weiss. Der Autor beschreibt darin akribisch und mit dem Blick des Ethnologen ein „gegenwärtiges und wirkliches Hirtenvolk“.

Heute gibt es noch mehr als achttausend Alpen in der Schweiz und 22.000 potenzielle Älplerstellen. Große Genossenschaftsalpen mit über siebzig Milchkühen gibt es vor allem in Graubünden und im Tessin. In der Innerschweiz, im Berner Oberland und in Appenzell sind die Alpen kleiner, denn sie werden von einzelnen Bauern alleine bewirtschaftet. Auf den meisten Kuhalpen wird die Milch noch vor Ort zu Käse und Butter weiterverarbeitet. Andernfalls muss sie täglich ins Tal zur Molkerei gebracht werden.

Für den Sommerurlaub der Tiere gibt es mehrere Gründe. Die Bauern arbeiten in dieser Zeit in der Heuernte – das Futter auf den tiefer gelegenen Weiden um das Dorf herum wird für den Winter benötigt. Der Alpkäse ist außerdem eine traditionelle Form, die gute Milch der Sommerweiden für den Winter zu konservieren.

Häufig ist der Käse sogar das wichtigste Produkt der Bergbauern. Der Staat unterstützt die Alpwirtschaft mit hohen Subventionen, um diese Form der Nahrungsproduktion und die Kulturlandschaft zu erhalten. Fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche wird in der Schweiz nur saisonal bewirtschaftet.

Früher wurden die Alpen häufig von Dorfbewohnern betrieben. Die Bauern schickten ihre Knechte, Kinder im Schulalter, ältere Leute, die im Tal nicht mehr helfen konnten, oder besitzlose Landarbeiter auf die Alp. Heute kommen auch viele Städter und junge Leute aus Deutschland in die Schweiz – darunter auch Aussteiger und Studenten der Landwirtschaft, die das besondere Leben auf der Alp anzieht.

Doch für Leute, die nicht in der Landwirtschaft aufgewachsen sind, ist es überraschend, wie viel körperliche Leistung einem hier abverlangt wird. Bei Kuhalpen kann das Verhältnis von Arbeitsstunden zu Nachtruhe ohne weiteres achtzehn zu sechs Stunden betragen. Freizeit ist nicht vorgesehen.

Die nötigen Qualifikationen für einen Älpler sind eine gute Beobachtungsgabe, Verantwortungsbewusstsein, Tierliebe sowie große körperliche wie auch seelische Belastbarkeit. Als Lohn können fünf- bis zehntausend Schweizer Franken für einen Sommer herausspringen.

Älplerstellen vermittelt die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB), Laurstrasse 10, CH-5201 Brugg AG, Fon (00 41 56) 4 42 30 12/13 (www.sab.ch), und die Zeitung der Älplerinnen und Älpler, zalp, auf ihrer Internetseite www.zalp.ch. TILL BELOW