Personalpolitik aus dem Jenseits

Der Sohn des aserbaidschanischen Staatspräsidenten wird neuer Regierungschef. Offiziell aufgrund eines Vorschlages seines schwer kranken Vaters Gaidar Alijew, doch der soll bereits seit Tagen tot sein. Die Opposition spricht von einem Putschversuch

von JÜRGEN GOTTSCHLICH

Im Handstreich hat gestern das Parlament in Aserbaidschan Ilham Alijew, Sohn von Präsident Gaidar Alijew, zum neuen Ministerpräsidenten des Landes gewählt. Die Wahl erfolgte auf Vorschlag des Präsidenten, der seit Anfang Juli schwer krank in einem Militärhospital in Ankara liegt und Gerüchten zufolge bereits tot sein soll. Das Parlament war am Montag ohne Vorankündigung zu einer Sondersitzung zusammengerufen worden, wo man den Abgeordneten mitteilte, der Präsident habe einen neuen Ministerpräsidenten ernannt. Die Wahl erfolgte dann mit 101 der insgesamt 125 Stimmen. So die offzielle Version.

Die Wahl von Sohn Ilham zum Ministerpräsidenten ist ganz offensichtlich ein Versuch, die Macht in der Familie Alijew zu halten. Die Opposition hat die Wahl Ilhams boykottiert, weil sie die Ernnennung und anschließende Bestätigung im Parlament für ein illegales Manöver hält. Seit letzten Freitag hält sich hartnäckig das Gerücht, Gaidar Alijew sei gestorben. Igbal Agasade von der Oppositionspartei Umud (Hoffnung) sagte, Gaidar Alijew habe gar keinen neuen Ministerpräsidenten mehr vorschlagen können, bevor er gestorben ist. Deshalb werde sein Tod noch geheim gehalten. „Die heutige Ernennung Ilham Alijews ist deshalb ein Putsch.“ Nach Informationen der Opposition wird die Alijew-Familie von Ankara unterstützt, weshalb die türkische Regierung die Verheimlichung des Todes decke.

Wie andere Potentaten hatte der 80-jährige, schwer kranke Gaidar Alijew in den letzten Jahren daran gearbeitet, seinen Sohn als seinen Nachfolger zu inthronisieren. Da Ilham im Land sehr unpopulär ist, hatte sein Vater ein Verfahren entwickelt, wie er seinem 42-jährigen Sohn den Weg zur Präsidentschaft ebnen kann, ohne dass dieser sich zunächst einer Wahl stellen muss. Per Verfassungsänderung wurde 2002 festgelegt, dass der Ministerpräsident automatisch zum Präsidenten ernannt wird, wenn der Staatschef aus Krankheitsgründen ausfällt.

Im Oktober sind in Aserbaidschan Präsidentschaftswahlen, bei denen der todkranke Alijew noch einmal antreten wollte, um dann zu Beginn der Amtszeit seinem Sohn über den Weg der Ernennung zum Ministerpräsidenten die Geschäfte zu übergeben. Das Szenario war bereits im April ins Wanken gekommen, als Alijew vor laufenden Mikrofonen zusammenbrach und ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Schon damals hieß es in Ankara, Alijew liege im Sterben.

Nachdem er sich zwischenzeitlich ein wenig erholt hatte, wurde er im Juli erneut ins Militärkrankenhaus in Ankara eingeliefert, wo sich sein Zustand zusehends verschlechterte. Am vergangenen Freitag verdichteten sich Gerüchte, Alijew sei gestorben, ohne Ilham zuvor zum Ministerpräsidenten ernannt zu haben. Der georgische Staatspräsident Eduard Schewardnadse kondolierte bereits. Nicht nur die aserbaidschanische Opposition vermutet nun, Alijews Tod werde geheim gehalten, bis Ilham auf dem Präsidentenstuhl sitzt.

Jedoch muss er nun in jedem Fall im Oktober bei den Wahlen antreten. Neben Ilham gibt es mindestens vier weitere Kandidaten, von denen der Vorsitzende der Volksfront Gudrat Hasangulijew als aussichtsreich gilt.

Aserbaidschan ist aufgrund seiner großen Ölvorräte ein Schlüsselstaat im Kaukasus. Die USA versuchen seit langem, Russland aus Aserbaidschan zu verdrängen. Zusammen mit der Türkei wird an einer großen Pipeline gebaut, über die kaspisches Öl, an Russland und Iran vorbei, direkt ans Mittelmeer gepumpt werden kann. Deshalb ist Washington an Stabilität in Baku sehr interessiert, während Russland immer wieder verdächtigt wird, Unruhe zu schüren. Als Mittel nutze Moskau den aserbaidschanisch-armenischen Konflikt um Nagorny Karabach, einer armenischen Enklave in Aserbaidschan, aus der armenische Kräfte schon vor Jahren alle Aseris vertrieben haben.