beiseite
: Leberts zweiter Frühstart

Rabenschießen

Die Popliteratur ist tot, mausetot geradezu, schaut man sich die kommenden null Veröffentlichungen in diesem Herbst an. Benjamin Lebert aber, der einst jüngste und am schnellsten bejubelte Schriftsteller aller Zeiten, ist noch immer bigger than life. Zumindest begleitet wieder einmal unruhiges mediales Füßescharren Leberts zweiten Roman „Der Vogel ist ein Rabe“, in dem es um zwei Jungs geht, die sich auf einer Zugfahrt von München nach Berlin ziemlich traurige Geschichten erzählen. Eigentlich sollte das Buch erst Ende August veröffentlicht werden, doch „da mal wieder einige das Wasser nicht halten konnten“, wie es eine Sprecherin von Leberts Verlag Kiwi nennt, kommt es nun schon an diesem Freitag heraus.

Um im Bild der Kiwi-Sprecherin zu bleiben: Den größten Harndrang mit der gleichzeitig schwächsten Blase und den zittrigsten und schwitzigsten Fingern hatte der Spiegel, Deutschlands glamourösestes Literaturmagazin, das in seiner neuen Ausgabe ein Interview mit Lebert sozusagen vorabgedruckt hat und damit dem Verlag den allerletzten Anstoß gab, die Sperrfrist aufzuheben. Denselben Raben schossen die Spiegel-Leute schon vor vier Jahren ab, als sie sechs Wochen vor der geplanten „Crazy“-Veröffentlichung erst in ihrer Kulturbeilage ein Porträt über den deutschen „Anfänger im Roggen“ veröffentlichten und kurz darauf im Hauptblatt eine mütterliche Hymne von Elke Heidenreich folgen ließen: „Ein Autogramm von Gott“.

So geht es halt zu im Literatur-Showbusiness: Keine Atempause, Götter und Spiegel-Bestseller werden gemacht. Am schönsten ist es natürlich, wenn man gleich selbst dafür sorgt, zumal eine Million Spiegel-Leser und deren Kinder sich einfach nicht irren und immer wieder mehr wissen wollen. Lebert selbst aber, dieser irgendwie traurige, junge Vogel, scheint arge Bedenken vor dem erneuten Rummel zu haben und hat in dem Interview schon mal vorsorglich erklärt: „Ich glitzere eben nicht.“ GERRIT BARTELS