Radelnder Anwalt klagt sich den Weg frei

Rechtsanwalt Andreas Volkmann kippt vor Gericht die Benutzungspflicht für Teile der Radwege, da diese nicht der Norm entsprechen. Opposition begrüßt das Urteil. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will nur ändern, was sie muss

Zeit ist Geld, für ein Auto will Andreas Volkmann keines ausgeben, aber Zeit will er dennoch sparen. Also tritt er ordentlich in die Pedale. Weil ihn auf den Radwegen Scherben, Hunde oder genervte Fußgänger ausbremsen, benutzt er die Straße. Damit begeht er einen Rechtsbruch – und das als Rechtsanwalt. Volkmann klagte daher vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich gegen die Pflicht, bestimmte Radwege nutzen zu müssen – wie schon im Jahr 2000. Damals erkämpfte er auf zwei Teilabschnitten die freie Wahl für Radfahrer, nach dem aktuellen Urteil kommen weitere sieben hinzu. Dort hat er jetzt Haftungssicherheit – bei einem Unfall auf der (verbotenen) Straße hätte er bisher mindestens eine Teilschuld bekommen.

Volkmanns Argumentation stützt sich auf die 1998 geänderte StVO. Diese legte fest, dass Kommunen die Benutzung von Radwegen nur dann vorschreiben können, wenn diese gewisse Kriterien erfüllen – etwa eine Mindestbreite von 1,5 Metern. In Berlin genügt kaum ein Radweg diese Anforderungen. Die pauschale Ausnahmegenehmigung des Senates könne nach fünf Jahren nicht mehr herangezogen werden, ohne das Verhältnis von Ausnahme und Regel zu verkehren, entschied das Gericht.

Michael Cramer, Verkehrsexperte der Grünen begrüßt das Urteil. Er hält Radwege für „gefährlich“. Die meisten Unfälle mit Radfahrern passierten, wenn Fahrzeuge abbiegen. „Auf die Wege achten sie nicht, Fahrer auf der Straße werden besser wahrgenommen.“ Cramer fordert daher mehr Radstreifen auf den Fahrbahnen, „die sind am sichersten und am billigsten.“

Alexander Kaczmarek (CDU) hält die Benutzungspflicht mangels Kontrollmöglichkeit ohnehin für absurd. Statt auf den „Flickenteppich“ des bestehenden Wegenetzes setzt er auf großräumige Verbindungen. In den Parallelstraßen der großen Trassen könnte der Autoverkehr zurückgenommen werden, um Radfahrern ein besseres Durchkommen zu ermöglichen.

Jutta Matuschek (PDS) will dagegen am bisherigen Konzept festhalten. Im Stadtnetz sollten die wichtigsten Lücken geschlossen werden. Da die neuen Wege die Normen erfüllen, solle ihre Benutzung verbindlich sein.

Bisher sind etwa 25 Prozent der 850 Kilometer Radwege für die Radler Pflicht. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will diese Zahl halten. „Änderungen sind zeit- und kostenintensiv. Wir heben die Vorschrift nur auf, wenn wir dazu gezwungen werden“, sagte Sprecherin Petra Rohland. Das könnte bald wieder passieren. In vier Fällen lehnte das Gericht Volkmanns Klage ab – unter der Bedingung, dass die Abschnitte ausgebaut werden. Sein Kommentar:„Da ich fest davon ausgehe, dass sich nichts tut, werde ich wieder Klage einreichen.“ STEFFEN BECKER