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: Das Wunder von Berlin

Wetten, dass wir demnächst viel weniger Arbeitslose haben werden? Es wird sich ein Wunder ereignen, das Wunder von Berlin. Allerdings werden sich nicht die Jobs durch Zauberei vermehren, sondern zahlreiche Erwerbslose werden aus der Statistik fallen.

Kommentarvon ULRIKE HERRMANN

Der große Coup beginnt heute Morgen, im Kanzleramt, wenn das Kabinett die neuesten Arbeitsmarktreformen beschließt.

Trick 1: Die Arbeitslosenhilfe wird 2004 mit der Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt. Anders als in den rot-grünen Wahlprogrammen angekündigt, wird künftig nur das Existenzminimum gezahlt. Konsequenz: Im Vergleich zum Jahr 2002 verlieren etwa 650.000 Langzeitarbeitslose ihre staatliche Unterstützung, weil sie nicht die strengen Bedarfskriterien der Sozialhilfe erfüllen.

Nun lehrt aber die Erfahrung, dass sich die Menschen nicht mehr zum Arbeitsamt bemühen, wenn sie von dort kein Geld empfangen – sondern nur noch angehalten werden, massenhaft sinnlose Bewerbungen zu verschicken, obwohl es gar keine Stellen gibt. Schon in der Vergangenheit hatte dieses „Fordern“ den Effekt, dass viele zu Hause blieben. Für die Zukunft bedeutet das: Arbeitsminister Clement darf sich darauf freuen, seine Statistiken um weitere hunderttausende zu bereinigen.

Trick 2: Ab 2004 soll nicht mehr die deutsche Statistik gelten, sondern der Standard der UN-Organisation ILO. Dort wird schon als beschäftigt ausgewiesen, wer pro Woche wenigstens für eine Stunde jobbt. In Deutschland galt bisher, dass auch erwerbslos ist, wer 15 Stunden arbeitet. Statt aktuell 10,4 Prozent Arbeitslose hätten wir dann momentan 9,4 Prozent.

Trick 3: Damit möglichst viele Arbeitslose einen Zusatzjob anstreben, setzt Clement auf die klassische Methode des Belohnens und Strafens. Einerseits dürfen Arbeitslose künftig mehr von ihren Zuverdiensten behalten – andererseits gilt nun fast jeder Job als zumutbar.

Zwar will Clement auch künftig neben der ILO-Zahl die deutsche Statistik veröffentlichen – aber sie wird keine politische Bedeutung mehr haben. Und nur darauf kommt es dem Kabinett an. Wie Zahlen in ein Schattenreich verschwinden können, zeigen die Angaben zur „stillen Reserve“. Es ist unbestritten, dass mindestens 6 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland fehlen. Aber das bleibt unbeachtet, wenn monatlich die offizielle Arbeitslosenzahl präsentiert wird. Künftig wird die Differenz eben noch größer sein zwischen der Wirklichkeit und der Politik.