Militäraktion gefährdet Waffenruhe

Israels Armee tötet führendes Mitglied des Islamischen Dschihad, will aber an Waffenstillstand festhalten

JERUSALEM taz ■ Israels Verteidigungsminister Schaul Mofas und sein palästinensischer Amtskollege Mohammed Dahlan haben bei einem Treffen zum wiederholten Male versucht, die neuerlich eskalierte Gewalt einzudämmen und die vereinbarte dreimonatige Waffenruhe zu retten. Sonntag wollen sich die beiden erneut zusammensetzen. Es wird nicht leicht: Bereits am Donnerstag hat der Islamische Dschihad blutige Rache geschworen – als Reaktion auf die Tötung von Mohammed Sidr, dem Chef des Hebroner Zweigs der Organisation. Sidr kam bei einem Feuergefecht ums Leben, nachdem er sich einer Festnahme durch die israelische Armee widersetzte.

Während die Armee in der Nacht zum Freitag im Westjordanland rund ein Dutzend weitere terrorverdächtige Palästinenser festnahm, herrschte in Israel nach akuten Warnungen vor Selbstmordanschlägen und Autobomben höchste Alarmstufe.

Israel ließ gestern 73 palästinensische Kleinkriminelle frei, deren Entlassung am Dienstag in der Folge zweier Selbstmordattacken verschoben worden war. Die israelische Regierung erwägt weiter, Palästinenserpräsident Jassir Arafat zu den Trauerfeierlichkeiten für seine verstorbene Schwester in den Gaza-Streifen reisen zu lassen und ihm seine Rückkehr nach Ramallah zu garantieren.

Zeitungen in den arabischen Nachbarstaaten und im Westjordanland berichteten über den geplanten Besuch einer ägyptischen Delegation in Gaza und Ramallah. Die palästinensischen Milizen sollen dabei von der Notwendigkeit überzeugt werden, die „Hudna“ (arabisch für Waffenruhe) aufrechtzuerhalten und sie über die ersten drei Monate hinaus zu verlängern.

Verteidigungsminister Mofas stellte den Rückzug der israelischen Armee aus den Westjordanlandstädten Kalkilia und Jericho in Aussicht, falls die Palästinenserbehörde eigene Ansätze demonstriere, die „Terrorinfrastruktur zu zerschlagen“. Vertreter der Autonomieverwaltung verweisen indes auf zahlreiche Erfolge bei der Einsammlung illegaler Waffen und dem Auffinden von Sprengstoffgürteln, Raketen und Sabotagematerial, in den Städten wie Gaza und Bethlehem, die unter der Kontrolle der palästinensischen Sicherheitsorgane stehen. „Israel kann uns aber nicht für all jene Städte verantwortlich machen, die es weiter besetzt hält“, erklärte Dahlans Sprecher Elias Sananiri im Rundfunk.

Die israelische Zeitung Ha’aretz berichtete gestern, Dahlans Sicherheitsapparat habe kürzlich 3 Millionen Dollar konfisziert, die von Iran an den Islamischen Dschihad in die besetzten Gebiete geschleust worden waren. Überdies wird ein Nachlassen der Radio- und TV-Propaganda gegen Juden und gegen Israel registriert. Dennoch wirft man Premier Mahmud Abbas Schwäche und Mohammed Dahlan übertriebene Ängstlichkeit vor einem Bürgerkrieg unter den Palästinensern vor. Deshalb besteht Israel darauf, Einzelaktionen in „Terrorenklaven“ wie Nablus und Dschenin fortzusetzen. ANNE PONGER