Betr.: WOLF WONDRATSCHEK

WOLF WONDRATSCHEK, nun auch schon 60 Jahre alt, wurde Ende der Sechzigerjahre einer literarischen Öffentlichkeit bekannt mit seinen beiden Kurzprosabänden „Früher begann der Tag mit einer Schußwunde“ und „Ein Bauer zeugt mit einer Bäuerin einen Bauernjungen, der unbedingt Knecht werden will“. Zum Rockstar machten ihn schließlich die selbstverlegten, bei Zweitausendeins vertriebenen „Gedichte/Lieder“ der Siebzigerjahre, die jetzt wieder neu aufgelegt wurden („Gedichte/Lieder“. Zweitausendeins, Frankfurt/M. 2003, 292 S., 12,90 €).Wondratscheks Gedichte dieser Jahre sind auf eine anrührende Weise sentimental, haben das nötige Gespür für den poetischen Augenblick – und vor allem haben sie ihre Zeit wie Flüssigharz umschlossen. Spätere Bücher aus den Achtziger- und Neunzigerjahren, etwa seine „Mexikanischen Sonette“ oder der Verszyklus „Carmen oder bin ich das Arschloch der achtziger Jahre“ blieben hinter diesem Erfolg zurück und wurden teilweise vernichtend besprochen. Wondratschek hat vieles davon herausgefordert mit seiner anachronistischen Machismonummer, der immer leicht übertriebenen Koketterie mit der Halbwelt und dem ewigen Boxen. In den letzten Jahren feierte er eine Art Comeback mit den prätentiösen, fast ästhetizistischen Erzählbänden „Die große Beleidigung“ und „Mozarts Friseur“. Ende August erscheint seine neue Erzählung „Mara“ (Hanser Verlag, München 2003, 208 S., 17,90 €), in der ein 1711 von Antonio Stradivari hergestelltes Mara-Cello seine abenteuerliche Geschichte erzählt. FS