nebensachen aus washington
: Fälschen und Manipulieren à la Bush

Brustkrebs durch Abtreibung

Es hat sich herumgesprochen, dass die US-Regierung Geheimdienstdaten verfälscht hat, um den Irakkrieg zu rechtfertigen. Ein Untersuchungsausschuss des US-Abgeordnetenhauses förderte nun zu Tage, dass sie auch unliebsame Forschungsergebnisse manipuliert und unterdrückt hat, so sie der eigenen Ideologie widersprachen.

„Die politische Einmischung der Regierung führte zu irreführenden Aussagen des Präsidenten, ungenauen Auskünften an den Kongress, veränderten Internetseiten, fehlerhaftem internationalem Austausch und dem Mundtotmachen von Wissenschaftlern“, schlussfolgert der vor wenigen Tagen veröffentlichte Abschlussbericht der Parlamentarier.

Anlass für die Dokumentation war die scharfe Kritik angesehener Wissenschaftsjournale, die Präsident Bushs Umgang mit der Forschung attackierten und vor einer „rechtskonservativen Unterwanderung“ warnten. Die Regierung injiziere Politik in Wissenschaftsfelder, die früher immun gegen Manipulation gewesen seien, schrieb das Fachblatt Science.

Die Einmischung ist besonders deutlich, wenn es um die Verteidigung ideologischer Bastionen geht, etwa in Fragen der Sexualmoral. Bekanntlich gibt es für Bush nur eine akzeptable Verhütungsmethode: No Sex. Um dieses Anliegen zu verbreiten, startete die US-Regierung eine Abstinenz-Kampagne und untermauerte ihre Sinnhaftigkeit mit manipulierten Statistiken und wissenschaftlichen Ergebnissen.

Da in der Bush-Regierung zahlreiche eingefleischte Abtreibungsgegner vertreten sind, muss einer Frau, die ungewollt schwanger geworden ist, der Gedanke an eine Abtreibung ausgetrieben werden. So warnt die Internetseite des regierungsabhängigen Nationalen Krebsinstituts davor, dass eine Abtreibung Brustkrebs auslösen kann. Dies sei eine „ungeheuerliche Verzerrung der Beweislage“ wetterte die New York Times.

Schlüsselpositionen in wissenschaftlichen Beratergremien der Regierung werden unter Bush oft mit politisch willfährigen Leuten besetzt. Als Präsidentenberater zur Aids-Bekämpfung wurde ein Marketing-Fachmann ernannt, der sich vor allem dadurch einen Namen gemacht hat, dass er Aids als „Schwulenplage“ und Homosexualität als „Lebensart des Todes“ bezeichnete.

Damit Rüstung und Ölindustrie weiter ungestört Geschäfte machen können, wurden ebenfalls Forschungsergebnisse frisiert. Das Pentagon behauptete Anfang des Jahres, Ende 2004 stehe eine funktionierende Raketenabwehr zur Verfügung, die anfliegende Raketen aus Nordkorea abfangen könnte. Viele Wissenschaftler halten ein solches Abwehrsystem technologisch nicht für machbar. Im Streit um Ölbohrungen in Alaska behauptete das Innenministerium, dass Tierbestände nicht gefährdet seien – eigene Wissenschaftler hatten das Gegenteil festgestellt.

Auch in der Landwirtschaft wird Umweltschutz den Interessen der Agroindustrie untergeordnet. Das zuständige Ministerium verfügte eine strenge Kontrolle über die Veröffentlichung von Forschungen, die negative Umweltauswirkungen belegen. Eigenen Wissenschaftlern wurde untersagt, brisante Ergebnisse zu publizieren.

Der Report erregte wenig Aufsehen, da Medien und Öffentlichkeit mit dem Guerillakrieg im Irak und der bizarren Gouverneurswahl in Kalifornien besetzt sind. Doch er beweist erneut, dass die Bush-Regierung bereit ist, ihre Glaubwürdigkeit der Durchsetzung ihrer rechtskonservativen Agenda zu opfern. MICHAEL STRECK