„Aus dem Konflikt heraus arbeiten“

Selten hat sich Götz George in einem Film derart stimmig breit gemacht wie in „Familienkreise“, den die ARD am Mittwoch zeigt. Ein Gespräch mit Regisseur Stefan Krohmer über die Dreharbeiten, übellaunige Erzähler und die Unbehaustheit von Bonn

Interview CHRISTIAN BUSS

Bonn ist tot. Wer hierher zurückkehrt, dem machen die Gespenster der Vergangenheit das Leben zur Hölle. So wie den Söhnen der Familie Parz. Der Vater, ein gefeierter Journalist, will nach vielen Jahren als Auslandskorrespondent seinen Lebensabend im Schoße der Familie verbringen. Mit ihm kommt die Furcht. Der Alte belohnt und bestraft, delegiert und tyrannisiert wie eh und je. Der eine Sohn, der noch im Eigenheim des Clans wohnt, wird kurzerhand vor die Tür gesetzt. Der andere kommt aus Hamburg, um endlich mal ein paar Wahrheiten auszusprechen. Doch kaum ist der erfolgreiche Mittdreißiger, der immerhin einen eigenen Verlag leitet, wieder in Bonn, gerät er in den mächtigen Schatten des Vaters. – Nach seiner ersten großen Fernsehproduktion „Ende der Saison“, die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, beweist Stefan Krohmer in der heiter-fatalistischen Vater-Sohn-Studie ein untrügliches Gespür für grausame interfamiliäre Dynamiken: Bäumt der Alte sich auf, kann der Junge sich nur ängstlich ducken. Bäumt sich dagegen der Junge auf – reicht dem Alte ein mildes Lächeln. Hans-Jochen-Wagner gibt den Sohn als verhinderten Gutmenschen, Götz George spielt den Auslandskorrespondenten als freundlichen Machtmenschen. „Familienkreise“ leuchtet präzise die kleinste soziale Einheit aus. Gleichzeitig lässt sich das Sippenporträt auch als Allegorie auf eine Mediengesellschaft lesen, die noch immer streng patriarchalisch organisiert ist.

taz: Herr Krohmer, in „Ende der Saison“ haben Sie mit Hannelore Elsner zusammengearbeitet, jetzt mit Götz George. Beide sind nicht gerade ensembletauglich, gern spielen sie die anderen in Grund und Boden. Sie haben diese Eigenart auf ihre Rollen übertragen: Sie verkörpern Menschen, die den anderen kaum Raum zum Atmen lassen. War das eine bewusste Entscheidung?

Stefan Krohmer: Besetzungen sind immer eine bewusste Entscheidung. Wenn ich eine Familiengeschichte erzählen will, wie ich das in den genannten Fernsehfilmen getan habe, bin ich natürlich auf diese Generation von Schauspielern angewiesen. Es kommt sicherlich darauf an, wie du diese Leute einlädst, an deinen Filmen mitzuwirken. Ich versuche von Anfang an immer sehr klar zu sagen, um was es mir geht. Hannelore und Götz mussten sich also zunächst mal auf unseren Stoff einlassen, und das bedeutete für sie, sich auch mit dem Ensemble-Gedanken anzufreunden. Beide hatten damit aber keine Probleme und waren sehr offen.

Gar kein Unmut beim Dreh?

Doch, es gab viele Auseinandersetzungen. Das war schon eine Art Generationskonflikt. Götz und ich haben sicherlich recht unterschiedliche Ideale und Sehnsüchte. Manchmal hatten wir Lust, einander zuzuhören – es gab allerdings auch Tage, die waren, um es vorsichtig auszudrücken, nicht gerade von Harmonie geprägt. Man kann aus diesem Konflikt heraus sehr gut arbeiten. Das hält einen wach. Jedenfalls ist Harmonie am Set nun wirklich kein Garant für einen gelungenen Film. Als wir über die Figur des Auslandskorrespondenten für „Familienkreise“ nachdachten, haben wir übrigens schon sehr früh Götz im Blick gehabt. Der Auslandskorrespondent im Film ist ja eine öffentliche Person – genau wie Götz George. Das heißt, er bewegt sich in dem von uns dargestellten Medienmilieu, zwischen Beckmann und [Tagesspiegel-Chefredakteur] Giovanni di Lorenzo, per se glaubwürdig.

Was war für Sie das Reizvolle an der Figur des Auslandskorrespondenten?

Ich hatte mich im Vorfeld mit einigen Auslandskorrespondenten unterhalten, und da kam auch mal zum Ausdruck, dass man nach all den existenziellen Erfahrungen, die man bei seinen Einsätzen gemacht hat, geneigt ist, das Leben hier für banal zu halten. Daraus ergibt sich eine Tendenz, seine Mitmenschen das ständig unterschwellig spüren zu lassen. Bei unserem Auslandskorrespondenten verbirgt sich hinter dieser Arroganz eine gewisse Unsicherheit. Und diese Haltung kann auch andere in eine Krise stürzen.

Sowohl in Ihren Fernsehproduktionen als auch in Ihrem demnächst startenden Kinofilm „Sie haben Knut“ wird unheimlich viel geredet. Und manchmal auch ganz schrecklich geschwiegen. Und alles spielt im bildungsbürgerlichen Milieu.

Man kann seine Herkunft eben nicht verleugnen. Der Drehbuchautor Daniel Nocke ist, genau wie ich, ein Lehrerkind. Ich sah bislang keinen Sinn darin, mich mit meinen Figuren allzu weit von den Menschen zu entfernen, die ich gut zu kennen glaube. Nur so kann ich die Genauigkeit gewährleisten, die mir wichtig erscheint.

Sie erzählen die Geschichten gleichsam aus dem Milieu heraus und versuchen doch Distanz zu halten – wobei Sie diese dann auch gerne mal wieder genüßlich durchbrechen. Jetzt lassen Sie die Figuren sogar von einem ziemlich aggressiven Erzähler anblöken.

Das ist der Versuch, der drückenden Grundstimmung des Films etwas entgegenzusetzen, dem Ganzen auf der erzählerischen Ebene eine ironische Distanz zu verleihen.

Und weshalb hat der Erzähler so schlechte Laune?

In unserer Vorstellung handelt es sich um den Architekten des Hauses, in dem die Familie des Auslandskorrespondenten wohnt. Er hatte das Haus vor Jahren mit der Idee entworfen, die Familie glücklich zu machen. Das hat offensichtlich aber nicht ganz so hingehauen. Ich fand es eine interessante Vorstellung, wie der Architekt nun aus seiner Frustration heraus das Treiben der Familie kommentiert. Der ist eben noch so eine gebrochene Bonner Persönlichkeit.

Bonn ist in „Familienkreise“ ein Ort der Tristesse und der Verzweiflung. Berlin mit seinem echten oder vermeintlichen Glanz erscheint fern. Muss dieser Abstand sein?

Wir hatten uns natürlich die Frage gestellt, in welcher Stadt der Auslandskorrespondent seine Familie zurücklässt. Und Bonn steht nun mal in der bundesrepublikanischen Geschichte für die verlassene Stadt. Dieser Aspekt verbindet sich im Film mit dem Verlassensein der Mutter und erschien uns zugleich in der Geschichte einer Journalistenfamilie als Wahlheimat stimmig zu sein. Aber auch das Gefühl des Sohnes, an den Ort seiner Jugend zurückzukehren, um an den eigenen Ansprüchen zu scheitern, konnte in Bonn gut eingefangen werden.

(„Familienkreise“, Mittwoch, 20. 8., 20.15 Uhr, ARD)