Palästinenser warten weiter auf Übergabe

Rückzug der israelischem Armee aus Kalkilia und Jericho vorerst verschoben. Gegenseitige Schuldzuweisungen

JERUSALEM taz ■ Der angekündigte Beginn des Rückzugs der israelischen Armee von zwei Städten im Westjordanland ist an Uneinigkeit über die Bedingungen der Übergabe zunächst gescheitert. Nach israelischer Darstellung boten die Palästinenser keine zufrieden stellenden Maßnahmen an, um die von Israel als „terrorverdächtig“ gesuchten Angehörigen der Islamistenorganisationen Hamas und Dschihad sowie der Al-Aksa-Brigaden nach der Übergabe von Jericho und Kalkilia, später Ramallah und Tulkarm, dingfest zu machen. Die Palästinenser machten Israels mangelnde Bereitschaft zur Aufhebung der äußeren Umzingelung der Städte für das Scheitern verantwortlich.

Noch am Sonntag war der Eindruck entstanden, israelische Armee- und Geheimdienstvertreter würden sich mit Garantien von Angehörigen des palästinensischen Sicherheitsapparats zufrieden geben, dass die gesuchten Männer überwacht, entwaffnet und von Attacken abgehalten werden. Das stellte eine mildere Version der israelischen Forderung nach unmittelbarer „Zerschlagung der Terror-Infrastruktur“ dar, der sich die Palästinenserbehörde aus Angst vor einem Bürgerkrieg widersetzt.

In der sonntäglichen Regierungssitzung waren Ministerpräsident Ariel Scharon und sein Verteidigungsminister Schaul Mofas in heftige Kritik von Erziehungsministerin Limor Livnat und Gesundheitsminister Danny Naveh geraten, die die Übergabeentscheidung für verfrüht hielten. Das dürfte die Verzögerung mit beeinflusst haben.

Die Verwundung einer jüdischen Siedlerfrau beim Beschuss ihres Autos bei Nablus am Vorabend durch die Al-Aksa-Brigaden sowie Granat- und Gewehrfeuer aus dem Gaza-Streifen gaben gestern erneut Anlass zu Vorwürfen gegen die Palästinenserbehörde.

Israels Weigerung, die äußere Belagerung der vier Städte aufzugeben, ist für die Palästinenser der eigentliche Stolperstein. „Wenn die Barrikaden nicht abgeräumt werden, bedeutet der Rückzug nichts für die Bewegungsfreiheit der Bürger“, betonte der palästinensische Informationsminister Nabil Amer. „Reine Kosmetik, um uns künftig für mögliche Gewalt verantwortlich machen zu können“, meinte Dschibril Radschub, früher Chef der präventiven Sicherheit im Westjordanland. „Ein Rückzug von Soldaten aus Jericho und Kalkilia war ohnehin nicht aktuell, weil sie sich nicht drinnen aufhalten. Die Armee verhindert mit Straßensperren freie Ein- und Ausfahrt. Das macht die Städte zu Gefängnissen.“

Tatsächlich hatten die Bürger der vier Städte Hoffnungen gehegt, ihre Bewegungsfreiheit im Westjordanland durch Aufhebung der Abriegelung wiederzuerlangen. Das unmittelbar an der grünen Linie gelegene Kalkilia ist von einer Mauer mit nur einem von der Armee kontrollierten Tor umgeben. An den Straßen nach Jericho lassen Soldaten nur Inhaber ausländischer Pässe, Ostjerusalemer Araber und die wenigen Palästinenser mit Arbeitsgenehmigungen für Israel passieren. Das hat zum Kollaps des Geschäftslebens, großer Arbeitslosigkeit und Armut geführt. ANNE PONGER