In Halberstadt bläst die Rechte zum Kampf

Nach dem Überfall auf ein nichtrechtes Jugendzentrum stellen sich die Behörden auf weitere „Ereignisse“ ein

BERLIN taz ■ Zwei Schwerverletzte, schockierte Eltern und eine bisher ergebnislose Fahndung nach den Tätern: Das ist das Ergebnis eines Bandenüberfalls in der Nacht zum Samstag im sachsen-anhaltischen Halberstadt. Am Vorabend des neonazistischen Rudolf-Heß-Gedenkmarsches wurde dort das Jugendzentrum Zora von mindestens einem Dutzend Rechtsextremisten angegriffen. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass damit lediglich der Startschuss für eine neue Welle rechtsextremer Aktionen in der 40.000-Einwohner-Stadt gegeben wurde.

„Die Neonazis kamen morgens um 3 Uhr, als in „der Zora“ gerade ein Ska-Konzert mit rund siebzig Besuchern, darunter zwanzig Teilnehmern eines internationalen antirassistischen Workcamps, zu Ende war“, berichtet ein Augenzeuge. „Plötzlich flogen Steine, Flaschen und Dachziegel.“ Während die Polizei lediglich von einem Opfer berichtet, bestätigen Zeugen, dass zwei junge Männer Anfang zwanzig schwere Gesichtsverletzungen erlitten, als die Rechten ihnen mit Bierflaschen und Zaunlatten ins Gesicht schlugen. „Eines der Opfer war Konzertbesucher, der andere geriet zufällig den flüchtenden Angreifern in den Weg.“

Die Staatsanwaltschaft Halberstadt ermittelt nun wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzungen. Vier Rechte zwischen 14 und 27 Jahren, die von der Polizei in unmittelbarer Nähe zum Tatort festgenommen wurden, sind mangels Tatverdacht wieder auf freiem Fuß.

Man ermittele mit „Hochdruck“, versucht Oberstaatsanwalt Helmut Windweh zu beruhigen. Doch auch er selbst ist alarmiert. Nach diesem gezielten Überfall auf das städtisch geförderte Zentrum Zora, das sich seit 1990 als Treffpunkt für linke und nichtrechte Jugendliche im Ostharz fest etabliert hat, müsse man gewappnet sein, meint er. Man stelle sich auf neue Ereignisse ein, da sich die Gruppierungen der Rechten umstrukturiert hätten.

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich im Ostharz seit Ende der 90er eine feste neonazistische Kameradschaftsszene samt Bands und Geschäften für Neonazi-Accessoires etablieren können. In Halberstadt eröffnete vor sechs Monaten der braune Gemischtwarenladen „Ragnarök“, der im Internet mit dem Verkauf von T-Shirts der indizierten Neonaziband „Landser“ wirbt. Seitdem registrieren Beobachter einen Anstieg rechter Organisierung und mehr Übergriffe auf Besucher der Zora. Auch Flüchtlinge aus der am Waldrand gelegenen Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) sind Opfer von Pöbeleien und Angriffen geworden.

Christoph Vogler, Vater des verletzten 21-Jährigen, hofft auf eine schnelle Strafverfolgung und Festnahme der Täter. „Ich will aber auch die Zivilgesellschaft mobilisieren und klar machen, dass sich Leute an mich wenden können, die auch von rechter Gewalt betroffen sind und keine Lobby haben“, so Vogler. HEIKE KLEFFNER