Es führt ein Weg nach San Julián

Allein reisen die Helden durch Patagonien: Carlos Soríns melancholisches Roadmovie „Historias mínimas“

Während die Zeitungen von der großen argentinischen Wirtschaftskatastrophe berichten, erzählt „Historias mínimas“, ein komödiantisches Roadmovie von Carlos Sorín, von eher kleineren Begebenheiten, die sich in Patagonien, tausende Kilometer südlich von Buenos Aires entfernt, zutragen.

In einer Geschichte geht es um einen alten Mann, Don Justo (Antonio Benedictis), den Besitzer eines kleinen Ladens, in einer weiten, schönen Ödnis, die zuweilen an die Bilder Edward Hoppers erinnert, wenn man das Styling abzieht. Sohn und Schwiegertochter führen das Geschäft. Don Justo sitzt meist beschäftigungslos an der Straße und bietet haltenden Autofahrern Matetee an. Er trägt bunte Sneakers und kann mit den Ohren wackeln. Als ihm jemand erzählt, er habe seinen lange vermissten Hund in der weit entfernten Stadt San Julián gesehen, büxt der alte Mann im Morgengrauen aus und versucht, nach San Julián zu trampen.

Eine andere Geschichte erzählt von Roberto (Javier Lombardo), einem zugleich melancholischen und lustigen, 40 Jahre alten Handelsvertreter, der ebenfalls nach San Julián reist. Dort will der Junggeselle eine jungen Witwe, in die er verliebt ist, mit einem Besuch überraschen. Der Sohn der Verehrten hat Geburtstag und Roberto eine riesige Torte mitgenommen, die aussieht wie ein Fußball. Während seiner Fahrt kommen ihm jedoch plötzlich Zweifel, ob seine Angebete tatsächlich einen Sohn hat, denn „René“ könnte auch der Name eines Mädchens sein. So lässt er die Torte mehrmals von erfahrenen Bäckern umgestalten, was für allerlei Situationskomik sorgt.

Die dritte kleine Geschichte handelt von Maria Flores (Javiera Bravo), einer jungen Frau aus ärmlichen Verhältnissen, die mit ihrem Baby nach San Julián unterwegs ist, um an einer bunt-trashigen Game-Show teilzunehmen.

Die Geschichten der allein reisenden Helden überschneiden sich. „Historias mínimas“ ist ein melancholisch-heiteres Roadmovie mit wunderbar weiten Landschaften, sympathischen Protagonisten, anrührenden Momenten und viel Humor. Carlos Sorín, der ehemalige Werbefilmer, dessen erster Film „La película del rey“ („Der Film des Königs“, 1986) in Venedig mit einem Silbernen Löwen ausgezeichnet wurde, hat größtenteils mit Laiendarstellern gearbeitet, deren Lebendigkeit sich mitteilt. Als Zuschauer ist man am Ende etwas enttäuscht, dass der Film schon vorbei ist.

DETLEF KUHLBRODT

„Historias mínimas“. Regie: Carlos Sorin. Mit Javier Lombardo, Antonio Benedictis u. a. Argentinien/Spanien 2002, 94 Minuten