Das Gastland will kein Gast mehr sein

Havannas Buchmesse, die im Januar mit einem deutschen Schwerpunkt eröffnen soll, hat ein Problem. Das Gastland wird offiziell nicht teilnehmen

Miguel Barnet, Kubas bekanntester auf der Insel lebender Schriftsteller, ist ein Deutschlandfan. Er schwärmt für den Schwarzwald, war mehrfach auf der Frankfurter Buchmesse und gilt als einer der Fürsprecher der deutschen Kultur in Kuba. Für den 62-jährigen Barnet könnte Kuba eine Brückenfunktion zwischen Deutschland und Lateinamerika einnehmen. Nicht nur, weil sich die deutsche Kultur großer Wertschätzung auf der Insel erfreut, sondern auch weil es hier mehr Übersetzer als in jedem anderen Land des Subkontinents gibt.

Der Kulturaustausch zwischen den beiden Ländern war in den letzten Jahren intensiviert worden, nachdem im Jahr 2000 eine einvernehmliche Lösung für Kubas Altschulden gefunden wurde. Die Umschuldung öffnete auch den Weg für Verhandlungen über ein Kulturabkommen, das im September 2002 paraphiert wurde und auf dessen Basis die kulturelle Zusammenarbeit intensiviert werden soll. Dazu gehört auch die Einrichtung eines Goethe-Instituts in Havanna. Ein Vertreter der Institution befindet sich seit August 2001 an der Botschaft in der Hauptstadt, um die nötigen Schritte in die Wege zu leiten.

Deutschland ist seitdem in Kuba en vogue. Auf der Internationalen Musikmesse Cubadisco war Deutschland Ehrengast und präsentierte sich mit Klassik und Techno, wie die Parteizeitung Granma berichtete. Und auch auf der internationalen Buchmesse im Januar nächsten Jahres ist Deutschland an exponierter Stelle vorgesehen. Die Messe soll im Zeichen der deutschen Literatur stehen, so haben es die Messerepräsentanten geplant.

Doch Deutschland wird nicht offiziell an der Messe teilnehmen. Diese Entscheidung des Auswärtigen Amtes wurde Ende letzter Woche den Kollegen in Havanna mitgeteilt. Grund für die Absage ist die Verschlechterung der Menschenrechtslage in Kuba, insbesondere die Verurteilung von 75 Mitgliedern der Opposition und die Vollstreckung der Todesstrafe in drei Fällen, so eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes gegenüber der taz. „Deutschland war gefordert, Position zu beziehen“, da die Europäische Union Anfang Juni diplomatische Sanktionen vereinbart hatte. Hochrangige Regierungsdelegationen sollten der Insel fern bleiben, der kulturelle Austausch sollte reduziert werden. Dem ist das Auswärtige Amt nun nachgekommen. Ob das bilaterale Kulturabkommen zwischen beiden Staaten durch die Absage gefährdet wird, vermochte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes nicht zu sagen. Grundsätzlich hofft man dort, dass die politischen Voraussetzungen geschaffen werden, damit Deutschland an derartigen Veranstaltungen wieder teilnehmen kann.

Aber das ist derzeit wenig wahrscheinlich, denn erst Ende Juli hatte Präsident Fidel Castro die Europäische Union als „Trojanisches Pferd der USA“ bezeichnet und die diplomatischen Gepflogenheiten beiseite gelassen. Es herrscht Eiszeit zwischen der Insel und der EU. Darunter hat auch die Kultur zu leiden. Absagen für Kulturveranstaltungen hat es von Seiten der EU-Mitglieder in den letzten Monaten reichlich gegeben. Nun ist also auch der kulturelle Frühling zwischen Berlin und Havanna erst einmal vorzeitigem Frost zum Opfer gefallen. Miguel Barnet wird es schmerzen, denn nun werden sicherlich merklich weniger Verlage wie Autoren den Weg auf die Festung San Carlos de la Cabaña finden, wo die Buchmesse alljährlich eröffnet wird.

KNUT HENKEL