Vorwärts, deutsche Soldaten – aber mit welchem Mandat?

Verteidigungsminister Struck kann sich in Kundus einen Einsatz der Bundeswehr als Teil der UN-Friedenstruppen, aber auch als Teil der US-geführten Kampftruppen vorstellen

ROSTOCK taz ■ Fest steht bisher so gut wie nichts. Außer dem festen Willen des Verteidigungsministers, deutsche Soldaten in die nordafghanische Stadt Kundus zu entsenden. Nach allem, was die bislang in der Region vertreteten USA mitgeteilt hätten, gebe es keinen Anlass „zu Kundus nein zu sagen“, erklärte Peter Struck gestern auf einer Pressekonferenz in Rostock – und zwar mehrere Stunden bevor General Friedrich Riechmann, der Leiter des Erkundungsteams, überhaupt Gelegenheit gehabt hatte, ihn detailliert über die Ergebnisse seiner mehrtägigen Reise zu informieren. Mit einem ablehnenden Votum des Generals rechnete der Minister allerdings ohnehin nicht: „Das sei unrealistisch“, so Struck. Und falls Riechmann vom Einsatz der Bundeswehr dennoch abrate? „Ich werde diesen militärischen Sachverstand immer ernst nehmen.“

Politischer Sachverstand wird nicht von den Militärs erwartet, sondern vom Minister. Er ließ gestern durchblicken, was er darunter versteht: nämlich einen Einsatz der Bundeswehr in Kundus selbst dann, wenn es dafür kein Mandat der Vereinten Nationen geben sollte. Bisher operieren deutsche Soldaten mit zwei verschiedenen Aufträgen in Afghanistan. Die einen sind als Teil der UN-mandatierten Friedenstruppen in der Hauptstadt Kabul stationiert, die anderen beteiligen sich an dem US-geführten Kampfeinsatz gegen al-Qaida und Taliban unter dem weltweiten Schirm von „Enduring Freedom“, der die Bekämpfung des internationalen Terrorismus auf seine Fahnen geschrieben hat.

Zu welcher Gruppe die ausländischen Militärs in Kundus gehören sollen, ließ Struck offen. Er würde eine Erweiterung von Isaf – also des UN-Mandats für die ausländischen Truppen – „bevorzugen“, so der Minister, aber: „Ich denke, dass man hier jetzt nicht eine Bedingung stellen muss: entweder Isaf oder gar nicht.“ Geprüft werde auch, ob man die Operation unter „Enduring freedom subsumieren könnte.“ Er halte das „nicht für ausgeschlossen“.

Sollte es dahin kommen, dann hätte das ein bislang weltweit einzigartiges Szenario zur Folge: Mit ein und demselben Mandat könnten Militärs mancherorts Bomben werfen und andernorts den Aufbau einer Region sichern. Die Unterscheidung zwischen so genannten humanitären Operationen und Kampfeinsätzen wäre damit endgültig aufgehoben. Welche Folgen eine solche Entwicklung für die Akzeptanz der UNO als neutraler Mittlerin und die Sicherheit der bereits jetzt in Kabul stationierten Soldaten hätte, bliebe abzuwarten.

Peter Struck betonte gestern, dass er „keine Alternative“ zur Entsendung der so genannten Wiederaufbauteams, an denen sich auch weitere Nationen beteiligen sollen, in verschiedene Regionen des Landes sieht. Andernfalls seien die für nächstes Jahr geplanten Wahlen und damit die Stabilisierung der Region gefährdet. Die einzige andere Möglichkeit bestünde darin, Afghanistan zu verlassen. Das aber, so der Verteidigungsminister, „wäre eine schwere politische Niederlage für die internationale Staatengemeinschaft“. BETTINA GAUS