Pawlows Krieger

In Antoine Fuquas Militärdrama „Tränen der Sonne“ scheitern US-Marines an den Verhältnissen in Nigeria

Das unwegsame Terrain liefert Fuqua für seine rechtschaffene Haltung keine Bilder

Es fehlt an Licht im Dschungel. Bäume und Blätter verstellen die Sicht und schränken die Bewegungsfreiheit der Kamera ein. Eine Totale ergibt in diesem Terrain keinen Sinn. Wer sich Übersicht verschaffen will, ist auf die Vogelperspektive angewiesen. Doch auch sie wird dem Blick nichts als Undurchdringlichkeit offenbaren.

Trotzdem ist der Dschungel eine filmische Landschaft par excellence. Man denke nur an die Effekte, die entstehen, wenn eine starke Lichtquelle auf die Textur aus Blättern und Hölzern trifft. Oder an das Chiaroscuro, das ein Lagerfeuer als Reflex auf Brackwasser hervorbringt. Wenn sich zu den ambivalenten Lichtverhältnissen das Sujet Krieg gesellt, können herausragende Filme wie Coppolas „Apocalypse Now“ entstehen. Denn wo finden die dem Krieg eigenen moralischen Schwebe- und Schwundzustände eine treffendere visuelle Entsprechung als im Zwielicht?

Das gilt natürlich nicht, sobald die Topografie und die Lichtverhältnisse des Dschungels benutzt werden, damit sie einen Kontrast zur Tugend der Figuren bilden. In Antoine Fuquas „Tränen der Sonne“ ist genau dies der Fall: Für die Produktion konnte der Regisseur die Unterstützung der US-Marine und des Pentagons gewinnen. Ein ehemaliger Angehöriger der Navy Seals, Harry Humphries, wurde als Berater hinzugezogen, damit der Film den Alltag in der Spezialeinheit möglichst akkurat abbilde. Humphries lehrte die Schauspieler den Umgang mit Waffen, den armeespezifischen Jargon und Kampftechniken. Glaubt man dem Presseheft, so hatten die Dreharbeiten viel von einer militärischen Grundausbildung. Bei so viel Loyalität nimmt es nicht Wunder, wenn kein monströser Colonel Kurtz, sondern der rechtschaffene Lieutenant A. K. Waters (Bruce Willis) die Szene betritt.

„Tränen der Sonne“ handelt davon, wie eine kleine Marineeinheit in Nigeria interveniert. Den Hintergrund bildet ein fiktiver Bürgerkrieg, dessen Fronten recht klar ausfallen: Die Guten sind Christen, die Bösen nicht. Waters soll eine US-amerikanische Ärztin aus bedrohtem Gebiet retten. Doch Dr. Lena Kendricks (Monica Bellucci) will ihre Patienten nicht im Stich lassen. Die in Sicherheit zu bringen widerspricht Waters’ Befehl. Daher lockt er Kendricks in eine Falle. Er zerrt sie in einen Hubschrauber, während die Patienten auf einer Waldlichtung zurückbleiben. Fuqua setzt hierbei auf spektakuläre Schuss-Gegenschuss-Folgen: dramatische Zuspitzung wie aus dem Lehrbuch.

Als die beiden Protagonisten im Folgenden die Mission überfliegen, in der Kendricks tätig war, sehen sie die Verheerungen. Zwar hat Fuqua die Rauchschwaden, Flammen, zerstörten Hütten und zerstückelten Leichen zu einem pittoresken Ensemble angeordnet, doch ihre Wirkung verfehlen sie nicht: Das fremde Leid aus der Vogelperspektive zu gewahren lässt den Helden umkehren. So monokausal ist das inszeniert, als handelte es sich um einen Pawlow’schen Reflex. Wer zum Zeugen einer Gräueltat wird, ist zum Eingreifen bereit.

Dass Waters zwar gegen den Befehl, aber moralisch korrekt handelt, betonen die Dialoge ohne Unterlass: „Sie haben das Richtige getan.“ Darauf wird umso nachdrücklicher verwiesen, je unwegsamer das Terrain sich gestaltet. Interessant ist das allein deshalb, weil es den Bildern nie vollständig gelingt, die rechtschaffene Haltung des Filmes zu transportieren. Der patriotischen Verve zum Trotz schildert „Tränen der Sonne“, wie fragwürdig eine militärische Intervention spätestens dann ist, wenn sie von Leuten geleitet wird, die die lokalen Verhältnisse, die Akteure und deren Interessen verkennen. Das dürfte nicht einmal Bellizisten wie Robert E. Kaplan gefallen, der vor einigen Wochen mit dem Essay „Ten rules for managing the world“ von sich reden machte. Zwar erteilte er dem US-amerikanischen Imperium publizistisch seinen Segen, knüpfte dies aber an die Bedingung, dass ein Militär die Fähigkeit besitze, „kulturelle Gegebenheiten, in die er nicht eigentlich hineinpasste, zum eigenen Vorteil zu nutzen“.

Der Regisseur und sein Protagonist folgen ihm darin nicht. Zu ihrer Ahnungs- und Arglosigkeit passt, dass die nigerianischen Figuren – der Glaubwürdigkeit wegen, wie das Presseheft erklärt – von sudanesischen Statisten verkörpert wurden. Ob West- oder Ostafrika: Von Los Angeles aus betrachtet sind alle Afrikaner schwarz. CRISTINA NORD

„Tränen der Sonne“. Regie: Antoine Fuqua. Mit Bruce Willis, Monica Bellucci u. a. USA 2003, 121 Min.