Bundesanwaltschaft jagt ein Phantom

Gericht findet Vorwurf „terroristischer Vereinigung“ gegen linke Magdeburger fragwürdig. Gruppe existiere nicht mehr

BERLIN taz ■ Die Bundesanwaltschaft musste im Verfahren gegen drei junge Linksradikale aus Magdeburg einen ersten Dämpfer hinnehmen. Die Ankläger werfen den Ex-Hausbesetzern „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ nach Paragraf 129a des Strafgesetzbuches vor. In einer Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft der 22- bis 24-Jährigen teilte das Oberlandesgericht Naumburg nun mit, es bestünden Zweifel daran, ob der Vorwurf der „terroristischen Vereinigung“ gegen die drei Beschuldigten haltbar sei.

Nach Ansicht des Gerichts ist nach dem Fund einer schriftlichen Erklärung vielmehr davon auszugehen, dass sich die fragliche militante Gruppe im Frühjahr 2002 selbst aufgelöst habe - also ein halbes Jahr, bevor die Bundesanwaltschaft zum großen Schlag ausholte. In dem Auflösungsschreiben sei von einer Erfolglosigkeit der bisherigen Gruppenaktivitäten die Rede.

Ausdrücklich betonen die Richter, dass die Gruppe zum letzten Mal im Mai 2002 in Erscheinung getreten sei. Damals hatten Unbekannte eine Brandflasche auf das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt geworfen, wobei geringer Sachschaden entstand. Am selben Abend scheiterte auch ein Versuch, in Magdeburg einen Wagen des Bundesgrenzschutzes in Brand zu setzen. Einige Wochen später erschien in der Berliner Szenezeitschrift interim ein Bekennerschreiben. In dem kurzen Text werden die Aktionen unter anderem mit brutalen Polizeieinsätzen in Magdeburg und dem Ziel begründet, „militante Politik in den Köpfen der Bevölkerung verankern zu wollen“. Die Bundesanwaltschaft sieht darin den Versuch, „gemeinsam mit anderen militanten Gruppen einen gewaltsamen Umsturz herbeiführen zu wollen“. Die Ermittler machen das Trio sowie fünf weitere Anfang 20-Jährige aus Magdeburg, die sich nach der Räumung eines besetzten Hauses in einer offen agierenden linksradikalen Gruppe namens „Autonomer Zusammenschluss“ engagierten, zudem für einen Brandanschlag im Jahr 2001 verantwortlich, bei dem zwei Autos im Wert von 150.000 Euro zerstört wurden.

Ginge es nach dem Oberlandesgericht Naumburg, würden die drei Beschuldigten Marco H. (24), Daniel W. (22) und Carsten Sch. (23) jetzt nach einem knappen Dreivierteljahr in U-Haft gegen strenge Auflagen bis zum Prozessbeginn auf freien Fuß gesetzt. Da aber die Bundesanwaltschaft gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt hat, wird nun der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im September über die weitere Untersuchungshaft entscheiden. Verteidiger Sven Lindemann begrüßte den Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg, wo ursprünglich im Oktober der Prozess beginnen sollte. Die Richter hätten mit „Augenmaß entschieden“, so Lindemann. Sollte der Vorwurf des §129a sich als nicht haltbar erweisen, müsste die Anklage auf den Vorwurf der „Brandstiftung“ reduziert werden. Der Verteidiger sieht in dem Ermittlungsverfahren gegen die Magdeburger Linken vor allem „ein willkommenes Nebenprodukt“ für die Bundesanwaltschaft. Schließlich gäbe es Anzeichen dafür, dass das eigentliche Interesse der obersten Strafverfolger der so genannten „Militanten Gruppe“ aus Berlin gilt, nach denen bislang vergeblich gefahndet wird.

HEIKE KLEFFNER