Kritischer Kompromiss bei Generika

Die Welthandelsorganisation will den Zugang ärmerer Länder zu billigen Medikamenten vereinfachen. Nach Angaben von Hilfsorganisationen ist die neue Erklärung nun aber so kompliziert, dass sie genau das Gegenteil erreichen wird

„Kaum eine Verbesserung für Patienten in ärmeren Ländern“

GENF taz ■ Der Kompromiss der Welthandelsorganisation (WTO) zur Versorgung ärmerer Länder mit kostengünstigen Medikamenten ist bei Hilfsorganisationen auf heftige Kritik gestoßen. Die Produktion von Generika, also preiswerten Kopien von patentgeschützten Produkten multinationaler Pharmakonzerne, und ihr Export in bedürftige Staaten werde so nur „weiter erschwert statt erleichtert“, kritisierten die Nichtregierungsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und Oxfam in einer gemeinsamen Erklärung.

Der Generalrat der WTO, dem alle 146 Mitgliedsstaaten angehören, hatte am Samstag einen tags zuvor noch abgelehnten Kompromissvorschlag gebilligt, mit dem der jahrelange Streit um Ausnahmen von den handelsrelevanten Patentschutzbestimmungen (Trips) der WTO endgültig beigelegt werden soll. Von diesen Patentschutzbestimmungen profitieren bislang in erster Linie die weltgrößten Pharmakonzerne, die ihren Sitz in den USA, Deutschland, Japan und der Schweiz haben.

Die letzte WTO-Ministerkonferenz im November 2001 in Doha hatte eine lediglich 20 Worte umfassende Grundsatzerklärung verabschiedet, nach der der Zugang zu erschwinglichen Medikamente und die Gewährleistung der öffentlichen Gesundheitsversorgung im Bedarfsfall Vorrang vor dem Patentschutz haben sollen. Länder ohne oder mit nur ungenügender eigener Pharmaindustrie müssten die Möglichkeit zum Import von Generika erhalten. Eine entsprechende Detailregelung, auf die sich 145 WTO-Mitglieder bereits im Dezember 2002 geeinigt hatten, blockierten die USA bis letzte Woche.

Der nun gefundene Kompromiss ist eine sieben Seiten umfassende, interpretierende Erklärung zu der Vereinbarung von Doha. Danach können Länder des Südens Generika künftig aus den Herstellerländern – bislang vor allem Brasilien, Indien, Südafrika und Thailand – importieren, wenn sie sie nicht selbst herstellen. Bisher durften Generika nur in den Herstellerländern verkauft werden. Der Re-Import von Generika in Industriestaaten, Hauptsorge der USA, Deutschlands, Japans und der Schweiz, ist verboten. Die Durchsetzung des Verbots soll durch ein kompliziertes Überwachungssystem und besondere Kennzeichnung und Verpackungen unterstützt werden.

Die Ausnahmen vom Patentschutz sollen nicht auf Medikamente gegen bestimmte epidemische Krankheiten wie Aids, Malaria oder Tuberkulose beschränkt sein, wie die USA bis zuletzt gefordert hatten. Allerdings müssen Länder, die Generika importieren wollen, jeden einzelnen Bedarfsfall gegenüber der WTO begründen und sich genehmigen lassen.

Ärzte ohne Grenzen und Oxfam kritisierten, der Kompromiss lege Ländern, die künftig Generika importieren oder auch selber produzieren wollen, viel zu viele neue Bedingungen auf. „Diese Regelung kommt vor allem den Interessen der USA und der Pharmakonzerne der Industrieländer nach“, sagte Tobias Luppe von Ärzte ohne Grenzen. „Sie bringt jedoch kaum Verbesserung für Patienten in ärmeren Ländern.“ Oxfam-Vertreterin Céline Charveriat kritisierte, bislang hätten die ärmeren Länder die Möglichkeit gehabt, über Zwangslizenzen Generika einzuführen. Das werde mit der Neuregelung so kompliziert, dass sie davon de facto keinen Gebrauch mehr machen könnten. „Das heißt, sie werden zukünftig kaum eine Alternative zu den teuren Markenpräparaten haben.“ ANDREAS ZUMACH

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