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: Florida-Rolf und die rechte Hirnhälfte der Sozialministerin Schmidt

Politik ist immer auch eine Sache der rechten Hirnhälfte, jener Sphäre also, die über Bilder und Gefühle funktioniert und nicht über Logik und Vernunft. Rechtshemisphärische Politik heißt Populismus. In der Ausschaltung der linken Hirnhälfte der Vernunft hat nun SPD-Sozialministerin Ulla Schmidt ein neues, bemerkenswertes Beispiel gegeben.

 Die Ministerin kündigte an, dass Sozialhilfe an Deutsche im Ausland künftig nach noch strengeren Bedingungen vergeben werden soll als bisher. „Sozialhilfe unter Palmen wird es künftig nicht mehr geben“, betonte sie. Sozialhilfe! Palmen! Die Ministerin setzt auf eine beliebte Bilderkette: Palmen, Sonne, Urlaub, Nichtstun, süßes Leben – und das mit Sozialhilfe! Schluss damit. Gut, drei Ausnahmen werde es künftig geben, verkündete Schmidt weiter. Bei Inhaftierten, bei stationär Erkrankten, und wenn es um die Erziehung von Kindern ginge, dann gebe es weiter Stütze im Ausland. „Ich denke hier zum Beispiel an eine Mutter, die im Ausland um ihr Kind kämpft. Hier muss ein Sozialstaat helfen.“ Rührend.

 Wer zur Abwechslung mal auf die linke Hirnhälfte umschaltet, also in die Sphäre der Vernunft und Logik, stellt allerdings fest, dass sich Ulla Schmidt damit ziemlich lächerlich gemacht hat. Die Geschichte ist eigentlich die: An einige, an sehr wenige Deutsche wird im Ausland direkt Sozialhilfe gezahlt, beispielsweise an Gefängnisinsassen oder an Leute, die schon jahrelang im Ausland lebten, bevor sie dort in Not gerieten. Nicht mal 1.000 Fälle sind es, also 0,025 Prozent aller SozialhilfeempfängerInnen. Sozialhilfe im Ausland gibt es laut Gesetz nur in „besonderen Notfällen“. In aller Regel bekommen diese Leute zudem nicht mehr, sondern sogar weniger Stütze als Sozialhilfeempfänger in Deutschland.

 Der Fall des Empfängers in Florida war ein Einzelfall, über den die deutschen Gerichte sehr unterschiedlicher Meinung waren. Die Ministerin war sich also nicht zu schade, in einer extra anberaumten Pressekonferenz eine Art „Lex Florida-Rolf“ vorzulegen, die einen psychisch kranken alten Mann zur Rückkehr nach Deutschland zwingt. Es gibt wohl keine überflüssigere Verordnung als diese – linkshemisphärisch betrachtet.

 Doch es ist zu befürchten, dass die Politik im Gefolge weiterer Bild-Zeitungs-Kampagnen noch weiter in die rechte Sphäre driftet. In Abwandlung eines bekannten Spruches möchte man flehen: Herr, schmeiß Hirn vom Himmel – aber bitte das ganze! BARBARA DRIBBUSCH

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