Punk, Rock und Sexploitation: Wolfgang-Büld-Werkschau im B-Movie
: Nachrichten von der verlorenen Generation

Wolfgang Büld, der am 4. September 51 Jahre alt wird, gehört wie sein Altersgenosse Dominik Graf zu einer Gruppe von Filmemachern, die sich – etwas übertrieben – als lost generation des deutschen Films bezeichnen ließen. Als er Ende der 70er Jahre die Filmhochschule in München abschloss, war der Neue Deutsche Film mit Schlöndorff, Fassbinder und Wenders bereits sehr gediegen – und konnte nichts anfangen mit einem wie Büld, der eher Genre-Filme à la Jess Franco machen wollte.

Aber der im Sauerland aufgewachsene und heute in Hamburg und London lebende Büld hatte nicht nur Filmbilder von Welles und von Sternberg über De Palma bis zu Russ Mayer in sich aufgesogen, sondern auch die Musik und den Lebensstil des Phänomens Punk. Und so fuhr er, der eigentlich nie Dokumentarfilme machen wollte, 1977 nach London, freundete sich dort mit den Mitgliedern von Bands wie den Adverts, The Clash oder The Jam an und brachte Punk in London mit zurück: ein wie beiläufig wirkendes, dabei aber mit präzisem Blick für Stimmungen eingefangenes Porträt der ersten Generation des Punk in England, dem man selbst von heute aus nichts hinzuzufügen braucht.

Zu den vom Punk geprägten Filmen, denen das erste Wochenende der Büld-Retrospektive gehört, in der bis zum 5. Oktober insgesamt neun Filme zu sehen sind, wird außer dem Regisseur auch ein gewisser Roadent Auskunft geben, der seinerzeit als Roadie bei den Sex-Pistols und The Clash mitfuhr. Deren Musik, sowie frühe Auftritte von The Police oder den Boomtown Rats sind in Bülds 1980 gedrehtem British Rock (alias Punk and Its Aftershocks) in Konzertausschnitten und Interviews zu erleben. Dass Büld seinen hier entwickelten, ruhig beobachtenden Stil auch für einen Spielfilm zu nutzen verstand, hatte er ein Jahr davor mit Brennende Langeweile – Bored Teenagers bewiesen, der sehr schön die zu der Zeit auch in der deutschen Provinz angekommene Punkszene einfängt. Die Adverts, damals gerade auf Deutschlandtournee, erlaubten Büld, sie in eine Geschichte um einem 18-Jährigen einzubauen, der sich in ihre Bassistin, Gaye Advert, verliebt hat und deshalb der Band hinterherreist. Auf sympathische Art schuf Büld hier ein deutsches Gegenstück zu Quadrophenia oder auch The Wanderers. Frühe Wenders-Filme dürften Büld dabei sicher ebenso inspiriert haben wie Arbeiten wie Rocker oder Idole des befreundeten Klaus Lemke.

Ehe er vor kurzem anfing, endlich die Art von Filmen zu machen, die er immer schon machen wollte, nämlich schnell gedrehte Sex & Crime-Geschichten, drehte Büld Filme, die so verschiedenartig sind, dass sie wohl kein Autorenbegriff alle fassen kann. Gnädigerweise spart die Retro die kommerzielleren Arbeiten vom Nena-Film Gib Gas, ich will Spass bis hin zu Manta, Manta aus. Stattdessen wurden Filme wie JAPlan, ein verspieltes Porträt der deutschen Elektronik-Band Der Plan aus dem Jahr 1984 oder der kurz darauf entstandene Berlin Now – mit seltenen Aufnahmen der Einstürzenden Neubauten – ausgegraben, mit denen sich Büld ein Standbein im nicht kommerziellen Kino sicherte. Und natürlich ist auch I‘ll Never Get out of this World Alive von vor zwei Jahren zu sehen, Bülds bewegendes Portät der früh verstorbenen County-Legende Hank Williams.

Anlass für die Reihe ist aber die Kino-Premiere von Penetration Angst, den Büld mit englischen Darstellern in London auf DV gedreht hat. Was darin geschieht, dass muss man selbst sehen, um es glauben zu können: Die Heldin, von Fiona Horsey mit großer Hingabe verkörpert, hat nämlich die Fähigkeit ihre Sexualpartner mit ihrer Vagina vollständig zu verschlingen, so dass sie sich praktisch in Luft auflösen. Was ihr anfangs sehr gelegen kommt, wird später zum Problem. Aber das ist nur die Haupthandlung eines ganz und gar nicht prüde daherkommenden B-Pictures: Sexploitation-Schocker, Horror-Komödie – you name it! ECKHARD HASCHEN

Filme und Termine s. Querkino