Explosiver Fund in rechter Szene

Polizei fand bei Durchsuchungen in der rechtsextremen Szene in München 14 Kilogramm Sprengstoff. Fünf Neonazis in Bayern, Meck-Pomm und Brandenburg verhaftet, darunter Anführer Martin Wiese. Ort und Zeit eines geplanten Anschlags noch unklar

Sprengstoff wurde in Kleinarbeit aus Granaten oder Minen „herausgepult“

aus München JÖRG SCHALLENBERG

Die bayerische Polizei hat möglicherweise einen größeren Sprengstoffanschlag von Mitgliedern der rechtsextremen Szene verhindert. Bei mehreren Durchsuchungen im Münchner Süden und im Vorort Unterschleißheim stellten Ermittler des Landeskriminalamtes und einer Münchner Kripo am Dienstag insgesamt 14 Kilogramm Sprengstoff sicher, darunter 1,7 Kilogramm TNT. Nach Angaben eines Polizeisprechers handelt es sich um einen der größten Sprengstoff-Funde in der rechtsextremen Szene in Deutschland. Unklar ist bislang, wo ein Anschlag verübt werden sollte. Dagegen stellte der Münchner Polizeivizepräsident Jens Viering fest, „dass man mit dieser Sprengstoffmenge einen Anschlag mit erheblichen Folgen hätte verüben können“.

Insgesamt wurden im Zusammenhang mit dem Fund drei Rechtsextreme in Bayern sowie zwei in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern verhaftet, ein weiterer Tatverdächtiger saß bereits in Haft – er brachte die Polizei erst auf die Spur. Im Juli dieses Jahres verprügelte der Skinhead zusammen mit einem Freund einen Exkameraden, der sich von der rechten Szene losgesagt hatte. Die Täter wurden kurz darauf verhaftet und sitzen wegen versuchter Tötung im Gefängnis.

Durch Wohnungsdurchsuchungen und Vernehmungen verdichteten sich Vermutungen, dass zumindest einer von ihnen Sprengstoff und Waffen versteckt haben könnte. Neben dem Sprengstoff wurden auch Handgranaten, scharfe Pistolen, Munition und ein Stahlrohr sichergestellt. Richard Vöst vom bayerischen LKA betonte, dass man mittels eines solchen Stahlrohrs eine gefährliche Splitterbombe herstellen kann. Zwei ähnliche Bomben mit insgesamt 1,3 Kilogramm TNT hatte der Rechtsextremist Gundolf Köhler 1980 auf dem Münchner Oktoberfest gezündet – damals kamen 13 Menschen um, darunter auch der Attentäter. Dass möglicherweise ein erneuter Anschlag auf die in anderthalb Wochen beginnende „Wies’n“ geplant war, wies Polizeivizepräsident Viering als „völlige Spekulation“ zurück. Trotzdem ermittelt nun eine 20-köpfige Sonderkommission namens „TNT“, ob weitere Sprengstoffanschläge geplant sein könnten.

Laut Polizei lagen zunächst keine Erkenntnisse über genaue Anschlagspläne oder -ziele vor. Derzeit werde das bei den Durchsuchungen beschlagnahmte Material – darunter zahlreiche Aktenordner und eine Computer-Festplatte – von Experten untersucht. Dabei werde auch ein möglicher Zusammenhang mit dem vereitelten Sprengstoffanschlag auf den Dresdner Hauptbahnhof im Juni überprüft. Bislang sei allerdings kein Zusammenhang erkennbar, sagte ein Polizeisprecher. Nähere Erkenntnisse erhofften sich die Ermittler von der Analyse des Sprengstoffs. Offenbar sei das TNT in mühsamer Kleinarbeit „aus Granaten oder Minen herausgepult worden“, sagte LKA-Sprecher Vöst.

Bei den Festgenommenen handelt es sich um Angehörige der Neonazi-Organisation „Kameradschaft Süd“, laut Polizei ein Zusammenschluss von 30 bis 40 Rechtsextremen vorwiegend aus der rechten Skinhead-Szene. Auch deren Anführer Martin Wiese, 27, wurde verhaftet. Er gilt als einer der Drahtzieher der Neonazi-Szene in Süddeutschland. Im vergangenen November meldete er zusammen mit den bundesweit bekannten Neonazis Christian Worch und Steffen Hupka eine Demonstration gegen die Neuauflage der Wehrmachtsausstellung in München an. Im März leitete Wiese vor dem US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr eine Kundgebung von Rechtsextremisten gegen den Irakkrieg. Ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags gegen ihn wurde eingestellt.

Wiese stammt wie die meisten Mitglieder der „Kameradschaft Süd“ aus den neuen Bundesländern. Trotz der offenkundigen Vernetzung zwischen organisierten Neonazis aus dem Süden und dem Osten Deutschlands ermittelt die Staatsanwaltschaft in München bislang nicht wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung – es fehle an den nötigen Strukturen, sagte Sprecher August Stern.