Warte mal hier, Mama geht tanzen

Wenn das Kind da ist, hört der Spaß auf? Ein Berliner Open Air Music Club beweist, dass „Mutter, Vater, Kind“ auch anders geht. Ein Rundgang über den „Young and African and Arts Market“ (YAAM) in Treptow

„Früher wurde Kinderkriegen mit ‚Langweilen auf dem Spielplatz‘ gleichgesetzt, heute amüsiert man sich auch trotz der Kinder“

Es ist Sonntag, ein verregneter Sonntag im Spätsommer. Die Sonne bricht durch die Wolken und über der Stadt liegt ein Regenbogen. Eine junge Frau tanzt barfuß inmitten einer Pfütze. Auf dem Arm hält sie einen Säugling. Ein DJ legt Raeggae auf. Der Young and African Arts Market (YAAM) hat sich ein altes Fabrikgelände an der Spree hergerichtet. Jeden Sonntag von 14 bis 22 Uhr öffnet das YAAM im Ostberliner Stadtteil Treptow seine Tore. Trotz des Regens sind an diesem Sonntag ein paar hundert Leute gekommen, zum Teil recht typische Kreuzberger Alternative, viele afrikanische und jamaikanische Einwanderer und Jugendliche aus der Umgebung. Auf dem Gelände befindet sich neben Basketballfeld, Fußballplatz, Tanzfläche, mehreren Bars und Essensständen auch ein Kinderspielplatz. Die „kidz corner“ ist Anziehungspunkt für viele junge Familien. Kleine und größere, coole Kreuzberger Blondinchen und Rastafari im Miniformat. Das sind nicht die kleinen Engel aus der Furchtzwerge-Reklame, sondern rotzfreche Berliner.

Vor über zehn Jahren hatten die Gründer des YAAM den Einfall, einen Ort zu schaffen, an dem man im Sommer „relaxt in der Nachmittagssonne chillen und auch mal tanzen kann“, erklärt Geschäftsführer Ortwin Rau. Im Laufe der Zeit hätten immer mehr Stammgäste Kinder bekommen, die sie hierhin mitgebracht haben. Die Geburtenzahlen für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg – den Haupteinzugsgebiet des YAAM – scheinen diesen Trend zu bestätigen. So kamen im vergangenen Jahr 10,7 Kinder auf 1000 Einwohner. In Marzahn (Ost) und Charlottenburg-Wilmersdorf (West) waren es deutlich weniger. Die Zahl der Familien mit Kindern unter 18 Jahren in Berlin wächst. Seit dem Tiefpunkt im Jahr 2000 – damals lebten nur noch etwa 540.000 Kinder in der Hauptstadt – ist die Zahl der Minderjährigen auf fast 600.000 angestiegen.

Rau meint, dass sich die Einstellung zum Kinderkriegen verändert habe. „Früher wurde es mit ‚Langweilen auf dem Spielplatz‘ gleichgesetzt, heute amüsiert man sich auch trotz der Kinder.“ Um es den Eltern leichter zu machen, hat er die „kidz korner“ eingerichtet. Zwei Erwachsene betreuen dort den ganzen Sonntag über die Kinder. Mit vier Minischiffschaukeln, einem Zwergenbasketballfeld und einem Zirkuszelt ist die Kinderecke gut ausgerüstet. Freiwillige Helfer organisieren Workshops für die Kleinen: Trommel- oder Tanzkurse, Basteln und Theaterspielen. Geboten wird viel Programm für wenig Geld. Mit 3 Euro ist der Eintritt ins YAAM billiger als jeder Babysitter. Bei schönem Wetter laufen auf dem Gelände bis zu hundert Kinder herum. Nicht jeder ist begeistert von dem Freiluftclub. In Treptow hat sich eine Bürgerinitiative gegen das YAAM gegründet. Grund: Lärmbelästigung. „Für mich ist es perfekt“, erklärt dagegen der Kameruner Josef, 32, „hier wird gegessen, getrunken, geraucht und getanzt“.

„Das mit dem Rauchen“, findet Renate Stein, 59, aus dem Westerwald eigentlich nicht so gut. Sie ist mit ihrer Tochter Eva, 25, und mit Enkelin Blanca, 2[1/]2, hierher zum Kaffeetrinken gekommen. Eva Stein, die von ihrer neuen Rolle als Mutter etwas überrascht wurde, erklärt: „Hier in Berlin klappt das wenigstens halbwegs mit Kind und Beruf. Für die Kleine habe ich jetzt einen Kita-Platz und kann wieder arbeiten.“ Eva hat eine Halbtagsstelle als Zeichnerin in einem Architekturbüro. Renate Stein, selbst vierfache Mutter und Lehrerin, erinnert sich: „Kinder erziehen und arbeiten – das war ein jahrelanger Kampf. Von Amüsieren keine Rede.“ Ganz einfach haben es aber Berliner Eltern heute auch nicht. Die Lebenskosten steigen und auch die Kita-Gebühren. Eva Stein: „Ganz rational betrachtet, sind Kinder ein Armutsfaktor.“ LAURA MÜLLER