Nötige Steine des Anstoßes

Die Errichtung des Mahnmals für die während des NS ermordeten Sinti und Roma verzögert sich weiter. Das Bundeskanzleramt hat Einwände, weil nicht alle Opfergruppen dem Entwurf zustimmen

von HEIKE KLEFFNER

Für Sonntag lädt die Internationale Liga für Menschenrechte mit dem Berliner Landesverband Deutscher Sinti und Roma erneut auf eine kleine Wiese in unmittelbarer Nähe des Reichtstags. Der Anlass: Mit „Steinen des Anstoßes“ soll der überfällige Bau des zentralen Mahnmals für die rund 500.000 während des Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma eingefordert werden. Dafür liegt bereits seit zwei Jahren ein Entwurf des international renommierten Künstlers Daniel Karavan vor. Doch die Umsetzung steht mal wieder in den Sternen.

Noch im Frühjahr dieses Jahres schien es, als rücke der Baubeginn in greifbare Nähe. Der Bund wollte die Kosten für das Mahnmal „ rund 2 Millionen Euro“ übernehmen, das Land Berlin wollte sich durch das Grundstück im Tiergarten beteiligen. Doch nun hat die Kulturstaatsministerin im Kanzleramt Einwände. In einem Brief an den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, der bundesweit rund 70.000 Sinti und Roma vertritt, kündigte Christina Weiss an, dass das Mahnmal nicht in der „vereinbarten Form“ mit der Inschrift eines Zitats von Altbundespräsident Roman Herzog versehen werde. Herzog hatte in Erinnerung an den so genannten Auschwitz-Erlass, mit dem 1941 die Deportation der Sinti und Roma in Vernichtungslager beschlossen worden war, erklärt: „Der Völkermord an den Sinti und Roma ist aus dem gleichen Motiv des Rassenwahns, mit dem gleichen Vorsatz und dem gleichen Willen zur planmäßigen und endgültigen Vernichtung durchgeführt worden wie der an den Juden.“ Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hatte die Inschrift des Zitates am Mahnmal seit längerem befürwortet.

Auf Nachfragen der taz erklärte ein Sprecher der Kulturstaatsministerin, der Bau des Mahmals scheitere an einem Streit zwischen Opferverbänden, da eine Sinti-Gruppe der Inschrift nicht zustimme und auf die Bezeichnung „Zigeuner“ am Mahnmal dränge. Wenn es eine Verständigung gäbe, „steht dem Bau des Mahnmals nichts mehr im Weg“.

Petra Rosenberg, Vorsitzende des Berliner Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma, kritisiert, „dass nun – entgegen den bisherigen Vereinbarungen – die Zustimmung aller Opfergruppen zur Widmung und zum Widmungstext des Denkmals zur Bedingung für dessen Errichtung“ gemacht werden solle. Die bereits verbindliche Zusage für das Mahnmal dürfe nicht nachträglich, „beeinflusst durch Intervention von nichtautorisierten Minderheitengruppen ohne Mandat“, wieder zu Fall gebracht werden. Bei der von der Staatsministerin bevorzugten Wortwahl „Zigeuner“ handele es sich um einen diskriminierenden Begriff, mit dem die Nationalsozialisten „alle Angehörigen der Minderheit als ethnische, außereuropäische, unerwünschte und zu eliminierende Gruppe definiert“ hätten. Roma und Sinti seien „jedoch ebenso wenig eine homogene Gruppe wie die Opfergruppe der Juden“, betont Rosenberg, deren verstorbener Vater zu den Mahnmal-Initiatoren gehörte.

Der Auschwitz-Überlebende Otto Rosenberg war gemeinsam mit dem Zentralratsvorsitzenden Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, in mühsamer Lobbyarbeit über Jahre hinweg gegen den Widerstand der damals CDU-geführten Bundes- und Landesregierung für das Mahnmal eingetreten. Romani Rose wertete in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur epd den Brief der Staatsministerin denn auch als eine „ultimative Drohung“ und stellte fest, die „Grenze des Zumutbaren“ sei längst überschritten. „Die Errichtung des Denkmals ist eine Verpflichtung des Staates und nicht eine großzügige Geste“, betonte Rose.

Dagegen hält die Kulturstaatsministerin an der Forderung nach einer Einigung unter den Opferverbänden und damit implizit an der Entscheidungshoheit des Bundes fest. Ihr Sprecher: „Letztendlich ist das unser Mahnmal und nicht das der Sinti- und Romagruppen.“