Russen in Lettland

2,5 Millionen Menschen leben in Lettland, ein Drittel davon sind Russen. In der Hauptstadt Riga mit ihren rund achthunderttausend Einwohnern beträgt der russische Anteil gar 48 Prozent. Die meisten von ihnen kamen in das mittlere der drei baltischen Länder nach 1940, dem Jahr der Okkupation durch die UdSSR.

Mit dem Auseinanderfallen des sowjetischen Imperiums 1991 erreichte Lettland seine Unabhängigkeit. Im Zuge der Rekonstruktion der eigenen nationalen Identität wurde das Lettische – nach jahrzehntelanger Zwangssowjetisierung und weitgehender Verdrängung aus dem öffentlichen Leben – alleinige Staatsspache.

Die lettische Staatsbürgerschaft erhielten von den Nichtletten nur diejenigen, die bereits vor 1940 lettische Staatsbürger waren, beziehungsweise ihre Nachfahren. Alle anderen wurden zu so genannten Nichtstaatsbürgern. Diese dürfen weder bei Wahlen oder Referenden abstimmen noch Ämter im Staatsdienst bekleiden beziehungsweise als Rechtsanwälte oder Notare arbeiten.

Auf dieser Grundlage begann 1995 der Einbürgerungsprozess von Nichtletten. Einen Pass erhielten nur Angehörige bestimmter Jahrgänge, die in einer Prüfung zudem noch Kenntnisse der lettischen Sprache, Geschichte und Verfassung nachweisen mussten.

Nicht zuletzt auf Druck internationaler Organisationen wurde das Einbürgerungsgesetz 1998 entschärft – die Jahrgangsregelung aufgehoben. Zudem wurde die Prüfung in der lettischen Sprache, Geschichte und Kultur deutlich erleichtert. Flankiert wird die Gesetzesänderung zudem durch ein landesweites Programm, das – unterstützt von der Regierung, den Vereinten Nationen sowie der Europäischen Union – den Angehörigen der Minderheiten das Erlernen der lettischen Sprache erleichtern soll.

Doch trotz aller Bemühungen der lettischen Regierung hält sich die Motivation der Russen, sich der Einbürgerungsprozedur zu unterziehen, in Grenzen. So gehören heute (Stand: 1. Januar 2003) mit 337.000 Personen immer noch knapp die Hälfte der Russen nicht zur Kategorie der lettischen Staatsbürger. 2002 ließen sich lediglich 9.880 Russen einbürgern – im Vorgleich zu den Vorjahren erstmals eine rückläufige Zahl.

Igor Pimenow, Vorsitzender der lettischen Vereinigung zur Unterstützung russischsprachiger Schulen, erklärt diese Verweigerungshaltung auf russischer Seite mit einem Gefühl der Demütigung und Diskriminierung durch die lettische Mehrheit.

Dieser Eindruck erhielt unlängst neue Nahrung. Laut einem Beschluss des Bildungsministeriums soll von 2004 an in weiterführenden Minderheitenschulen sechzig Prozent des Curriculums in Lettisch unterrichtet werden.

Begründet wird dieser Schritt von der Regierung damit, dass so die soziale Integration befördert werde. Das sehen die Russen anders. Im Mai demonstrierten Lehrer, Eltern und Schüler in Riga gegen die Reform.

Lettlands Regierung bleibt stur: Lettisch, heißt es, sei ohne eine Privilegierung eine sterbende Sprache – zumal die Geburtenrate der lettischen Russen höher als die der Kulturletten sei. Russisch sei im Nachbarland Russland die Kommunikationsgrundlage aller Staatsbürger, in Lettland eben Lettisch. BO