Irak lässt al-Dschasira verstummen

Iraks Übergangsregierung beschließt, die Büros der arabischen Fernsehsender al-Dschasira und al-Arabia zu schließen. Die Sender würden „den Geist des alten Regimes wiederbeleben“ und zum Widerstand aufrufen, heißt es zur Begründung

von KARIM EL-GAWHARY

Der arabische Fernsender al-Dschasira war vielen arabischen Regimes immer wieder ein Dorn im Auge. Oft wurden dessen Büros in Amman, Damaskus oder Kuwait vorübergehend von den Behörden geschlossen. Nun gesellt sich die neue irakische Übergangsregierung in die Reihe jener, denen die Berichterstattung nicht genehm ist. Diese Woche beschloss der Regierungsrat, die Büros von al-Dschasira und einem zweiten arabischen Satellitenkanal, al-Arabia, für einen Monat dichtzumachen und dessen Korrespondenten in dieser Zeit auszuweisen. Grund für die Entscheidung sei, dass die Sender den Geist des alten Regimes wiederbeleben wollten und die religiöse Spaltung im Land förderten, heißt es.

Beide Stationen widmen dem „militanten Widerstand gegen die Besatzung“ ausführliche Berichte. Al-Arabia hat in den letzten Wochen mehrere Tonbänder mit Ansprachen Saddam Husseins ausgestrahlt. Laut Regierungsratsmitglied Mudhar Schawkat betrieben die beiden Sender Hetze. „Sie zeigen Bilder von maskierten Männern und bezeichnen sie als Widerstand, obwohl es sich dabei um Kriminelle handelt“, erklärte er. Ausgelöst wurde die Entscheidung offensichtlich, als erstmals seit seiner Einsetzung im Juli ein Mitglied des Rates Opfer eines Anschlages geworden war. Akila al-Haschimi wurde am Wochenende von Unbekannten vor ihrem Haus niedergeschossen. Sie liegt schwer verletzt in einem Bagdader Krankenhaus.

Die beiden Fernsehsender versuchen die Entscheidung herunterzuspielen. Bisher habe noch niemand die Schließung ihrer Büros in Bagdad veranlasst, hieß es aus beiden Sendern. Es gebe keinerlei schriftliche Mitteilung. „Unser Büro ist offen und wir arbeiten weiter wie gehabt“, erklärte die Al-Dschasira-Sprecherin Dschihad Ballout in der Senderzentrale in Katar. Übrigens hat US-Verwalter Paul Bremer das letzte Wort in der Angelegenheit. Der US-Präfekt des Irak kann gegen die Entscheidung ein Veto einlegen. Dabei ist für ihn allerdings wenig zu gewinnen, egal wie er sich entscheidet. Zeichnet er die Entscheidung ab, wird das als ein Beschluss gegen die arabische Pressefreiheit angesehen. Legt er sein Veto ein, macht er deutlich, dass die irakische Übergangsregierung nichts zu sagen hat. Letzteres soll sich nach dem Willen des Vorsitzenden des irakischen Ministerrates allerdings bald ändern. In einem Interview mit der New York Times forderte Ahmad Schalabi, dass Fragen der Finanzen und Sicherheit zumindest teilweise den irakischen Behörden übergeben werden sollen. Auf die Frage, wann die Macht übergeben werden sollte, antwortete er: „Sofort.“ Schalabi sprach sich auch gegen eine Verstärkung der ausländischen Truppen im Land aus. „Es kann von uns nicht erwartet werden, dass wir ausländische Truppen anfordern“, erklärte er. Die US-Regierung arbeitet derzeit daran, eine Resolution des UN-Sicherheitsrates durchzusetzen, die eine multinationale Truppe unter US-Kommando autorisieren soll.