Zur Sache, Kanzler!

Gerhard Schröder möchte sich heute bei den expansionslüsternen Verlegern beliebt machen

BERLIN taz ■ Heute um 15.30 Uhr tritt der Bundeskanzler vor die Jahresversammlung der Verleger in Berlin. Ob die Herren über Deutschlands Zeitungen aber tatsächlich etwas zu hören bekommen, liegt nicht in Gerhard Schröders Hand, sondern in der seines Wirtschaftsministers.

Wolfgang Clement (SPD).hatte für „Ende September“ eine Entscheidung in der Berliner Pressesoap um die Übernahme der Berliner Zeitung durch die Holtzbrinck-Gruppe angekündigt.

Holtzbrinck gibt in Berlin schon den Tagesspiegel heraus, das Kartellamt untersagte daher den Deal, jetzt soll der Minister per Sondererlaubnis wiederum dieses Verbot kassieren. Begründung: Die Erhaltung publizistischer Vielfalt, mithin ein Gemeinwohlinteresse.

Bevor Clement sich nicht entschieden habe, ließ das Wirtschaftsministerium vergangene Woche noch mal ausdrücklich wissen, werde der Kanzler einen Teufel tun und den Verlegern konkrete Angaben machen.

Doch Clement sitzt in der Zwickmühle: Eine Sondererlaubnis ist mittlerweile so gut wie ausgeschlossen. Weiteres Verschleppen der Entscheidung allerdings auch. Holtzbrinck soll vorgeschlagen haben, den Antrag auf Ministererlaubnis „ruhen“ zu lassen. Diese Möglichkeit ist aber nirgends vorgesehen. So viel Wille zum Zeitgewinn kommt nicht überraschend: Denn die Verleger haben ziemlich klar gemacht, was sie von der Politik fordern: eine deutliche Aufweichung der bisherigen Fusionskontrollen. Und der Kanzler hat bereits zweimal zustimmende Töne von sich gegeben. Heute müssen Presseunternehmen ihr Zusammengehen beim Kartellamt anmelden, wenn die beteiligten Unternehmen zusammen mehr als 25 Millionen Euro Jahresumsatz erzielen. Dieser Wert soll auf 50 Millionen Euro verdoppelt werden, schreibt der Spiegel. Zum Vergleich: In anderen Branchen sind Deals erst ab 500 Millionen Euro Umsatz anmeldepflichtig.

Doch das Verlegerlager ist gespalten: Die ganz kleinen Unternehmen kommen mit der heute gültigen Kartellvorschrift bestens zurecht. Und den Medienmultis wie Springer und Holtzbrinck geht der Vorschlag längst nicht weit genug: Sie stehen wegen ihrer Umsatzzahlen ohnehin immer unter allgemeinem Kartellverdacht.

Die Wettbewerbshüter haben übrigens auf ihre Weise die Existenzangst und Expansionslust der Verlage kommentiert: Noch nie sei ein Titel eingestellt worden, weil das Kartellamt eine Fusion versagt habe. STG