28.000 finden ihr Kino

Vergangenen Freitag endete das Hamburger Filmfest. Viel Interessantes gab es dort zu sehen – und das kam nicht unbedingt von den KünstlerInnen mit den großen Namen

Historische Reihen bilden bei Festivals das Tüpfelchen auf dem i

Wenn man nach einem Festival durchs Programmheft blättert, beschleichen einen Gedanken wie: Vielleicht hätte man den dänischen Film lieber noch gesehen oder diesen britischen statt jenes russischen oder doch öfter zum Filmtalk gehen sollen… Es wurde viel Interessantes geboten auf dem ersten Hamburger Filmfest unter der Leitung von Albert Wiederspiel – nach acht Jahren unter dem bei der Eröffnung ein wenig vergessenen Josef Wutz. Bei 28.000 Besuchern – auf Tage und Leinwände umgerechnet etwa gleich viel wie im Vorjahr – scheinen die meisten Zuschauer ihr Kino auch gefunden zu haben, ganz wie Wiederspiel es zuvor versprochen hatte.

An einer Vielfalt an Themen und Erzählweisen war kein Mangel: 116 Filme aus 38 Ländern waren zu sehen, naturgemäß nicht jeder ein Meisterwerk. Die beeindruckende Palette reichte von schönem japanischen Zeichentrick über Bollywood bis zum brasilianischen Gefängnisdrama. Und Wiederspiels Konzept, mit Mainstream das Publikum anzulocken, welches dann möglichst auch in die weniger mainstreamigen Filme geht, schien aufzugehen. Ob es freilich dann dieselben Zuschauer waren, die etwa bei Raymond Depardons in Schwarz-Weiß gedrehter, fast meditativer Wüstengeschichte „Vom Westen unberührt“ das große Grindelkino füllten, weiß man natürlich nicht.

Dass der Andrang bei der schönen Asta-Nielsen-Hommage nicht ganz so groß war, sollte das Festival nicht davon abhalten, dieser Sektion weiteres Profil zu geben. Immerhin bilden filmhistorische Reihen bei anderen Großstadtfestivals wie der Viennale doch das Tüpfelchen auf dem i. Denkbar wäre zudem, Filme des jeweiligen Trägers des Douglas-Sirk-Preises zu zeigen, der diesmal Isabelle Huppert in einer leider geschlossenen Veranstaltung überreicht wurde. Auf der Leinwand war Huppert in Michael Hanekes „Wolfszeit“ zu sehen, mit dem der Österreicher seinen Weg von „Funny Games“ aus ebenso konsequent weitergeht wie Lars von Trier und Peter Greenaway die ihren mit „Dogville“ beziehungsweise „The Tulse Luper Suitcases, Part I“ – man mag ihnen folgen oder nicht.

Den Publikumspreis der Reihe „eurovisuell“, in der Kassenschlager aus zwölf europäischen Ländern gezeigt wurden, ging an die Polizeikomödie „Kops“ von Josef Fares aus Schweden, die bald auch auf deutschen Leinwänden zu sehen sein wird. Lehrstücke im besten Sinne und für diesen Betrachter die Höhepunkte des Festivals waren Kim Ki-duks Spring, Summer, Fall, Winter ... and Spring“ um die Versuchungen eines Mönches in verschiedenen Lebensstadien und Gus Van Sants „Elephant“ mit seinen beklemmenden Momentaufnahmen der letzten Stunden vor einem High School-Massaker.

Der erstmals ausgetragene Hyatt-Filmtalk in den Hamburger Kammerspielen, den Philip Bergson von der BBC mit Gästen wie Jacques Doillon und Peter Greenaway eloquent moderierte, braucht vielleicht noch ein, zwei Jahre, um vom Publikum wirklich angenommen zu werden. Und dringend überprüft werden sollte die Entscheidung, die schönen Zeise-Kinos in Hamburg-Ottensen zugunsten einer innerstädtischen „Kinomeile“ nur als Nachspielort einzubeziehen.

ECKHARD HASCHEN