Mit „Sobibor, 14. Oktober 1943, 16.00 Uhr“ startet eine Filmreihe zum NS
: Zurückeroberte Subjektivität

Nur wenige Male war in Hamburg bisher Claude Lanzmanns Sobibor, 14. Oktober 1943, 16.00 Uhr zu sehen. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme hat den Film jetzt zusammen mit dem Metropolis noch zweimal aufs Programm gesetzt: als Auftakt einer kleinen Reihe mit Filmen zum Nationalsozialismus. Das Interview mit Yehuda Lerner, dem Überlebenden eines erfolgreichen Aufstands im Vernichtungslager Sobibor, hat Lanzmann aufgenommen, während er in den 70er Jahren für seine neuneinhalbstündige Dokumentation Shoah recherchierte. Da Shoah aber ausdrücklich Zeugnis ablegen sollte von der Judenvernichtung, hat sich Lanzmann damals entschlossen, Widerstandsaktionen von Juden, die ohnehin nur selten Erfolg hatten, auszusparen.

Und so bekam Yehuda Lerner im Jahr 2001 seinen eigenen Film. Vielen seiner schon zuvor verfolgten Prinzipien blieb Lanzmann dabei treu: Bis auf die Einblendung einer einzigen dokumentarischen Fotoaufnahme von SS-Männern zu Beginn verlässt er sich wie schon in Shoah ganz auf die Stimmen und Gesichter der Überlebenden, die Orte des Geschehens werden ausschließlich in ihrem heutigen Zustand gezeigt, einzig Skizzen der Lager erfüllen, wenn nötig, die Aufgabe zusätzlicher Illustration. Und auch in Sobibor, 14. Oktober 1943, 16.00 Uhr findet sich das vielfache Übersetzen und Untertiteln des Gesprochenen, durch das das eigentlich Unaussprechliche der Judenvernichtung betont und ihm zugleich widersprochen wird.

Erstmalig hat Lanzmann sich allerdings bei seinen Filmaufnahmen in Polen ein wenig Mimesis erlaubt. Wenn Lerner von seinen Fluchten erzählt – aus neun KZs gelang ihm der Ausbruch – sucht die Kamera bisweilen eine subjektive Perspektive. Doch das erscheint angebracht, denn wer aus einem Lager floh, eroberte tatsächlich ein Stück der Subjektivität zurück, die das Ausbeutungs- und Vernichtungsprogramm der Nazis den Juden permanent zu nehmen versuchte. Aus dem Gesicht Yehuda Lerners, der beinahe schelmenhaft seine Geschichte erzählt, spricht dieser Triumph jedenfalls zu jeder Minute. JANA BABENDERERDE

Sobibor, 14. Oktober 1943, 16.00 Uhr: So 17 Uhr, Mo 19 Uhr; Mit „Bubi“ heim ins Reich: Mo 13.10. 19 Uhr, beide Metropolis; Das Heimweh des Walerian Wrobel: 26.10., 15 Uhr, Gedenkstätte Plattenbau Poppenbüttel, Kritenbarg 8 (S-Bahnhof Poppenbüttel)