Die junge Welt lebt in Armut

UN-Bevölkerungsbericht: 238 Millionen Teenager leben in krasser Armut, alle 14 Sekunden infizieren sich Jugendliche mit Aids. Mädchen werden oft ungewollt schwanger und sterben an den Folgen. Das Geld für Aids-Aufklärung und Familienplanung fehlt

aus Berlin DANIEL SCHULZ

Ein Viertel aller Teenager weltweit lebt in Armut. Die Hälfte aller Aids-Neuinfizierten sind unter 25 Jahre alt, und 14 Millionen Mädchen werden jährlich ungewollt schwanger. Das steht im aktuellen Weltbevölkerungsbericht der Vereinten Nationen, den die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) gestern im Auftrag des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) in Berlin vorstellte.

„Diese Zahlen sind erschreckend“, meinte Renate Bähr, stellvertretende Geschäftsführerin des DSW, „besonders wenn man weiß, dass es heute die größte Jugendgeneration aller Zeiten gibt.“ Fast die Hälfte aller 6 Milliarden Menschen ist jünger als 25 Jahre. Knapp 90 Prozent dieser Altersgruppe leben in Entwicklungsländern. Von 1,2 Milliarden Jugendlichen im Alter von 10 bis 19 Jahren hat etwa ein Viertel nicht mehr als 1 Dollar pro Tag zum Leben. „Doch leider scheinen viele Staaten noch nicht erkannt zu haben, welche Bedeutung das Verhüten von Aids und sexuelle Aufklärung für junge Menschen haben“, sagte Bähr. Zu verhindern seien nicht nur die menschlichen Tragödien, sondern auch die wirtschaftlichen Schäden. „Wenn beispielsweise nur eine HIV-Infektion vermieden wird, spart dies in einem Land mit 1.000 Dollar Pro-Kopf-Einkommen knapp 35.000 Dollar“, erklärte die DSW-Vizechefin. Eine effiziente Familienplanung koste pro Kopf sogar nur durchschnittlich 17 Dollar im Jahr. Kein Vergleich zu den Millionen, die medizinische Betreuung, Verdienstausfälle, Sozialfürsorge und Steuerverluste Staaten und Familien kosteten.

Ein großes Hindernis für sexuelle und damit auch Aids-Aufklärung sei eine wachsende Opposition gegen derartige Programme. „Ein Beispiel dafür sind die USA“, sagte Bettina Maas vom UN-Bevölkerungsfonds Jemen. Kurz nachdem George W. Bush zum Präsidenten gewählt worden sei, hätte die US-Regierung schon zugesagte 34 Millionen Dollar an die UNFPA nicht gezahlt. Man sei dort wie in vielen anderen Ländern offenbar der Meinung, Jugendliche würden durch Aufklärung zum Sex verleitet. „Einfach nur sexuelle Abstinenz zu empfehlen ist aber keine Lösung, denn viele Menschen haben diese Möglichkeit gar nicht“, sagte Maas. Besonders Frauen und junge Mädchen hätten oft nicht die Macht, sich sexuellen Ansprüchen der Männer zu widersetzen. Eine Aufforderung zur Abstinenz sei für diese Menschen illusorisch und „reiner Hohn“. Auch Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) betonte, dass Frauen und junge Mädchen in vielen Ländern von besonderen Gesundheitsrisiken bedroht sind. „Abtreibungen oder Komplikationen bei Schwangerschaften gehören zu den häufigsten Todesursachen von jungen Mädchen im Teenager-Alter“, sagte Wieczorek-Zeul.

Doch der Wille, Geld in Familienplanung und Aufklärung von jungen Menschen weltweit zu investieren, fehlt laut UNFPA nicht nur den USA, sondern vielen Industrienationen. Auf der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz 1994 hatten die reichen Länder zugesagt, 6 Milliarden Euro jährlich zu geben. Nicht einmal die Hälfte davon wurde tatsächlich gezahlt.