Vertriebene Palästinenser

betr.: „Angst vor dem Tabubruch“ von Julius H. Schoeps, taz vom 2. 10. 03

Herr Schoeps, Sie schrieben ein Plädoyer für eine europäische Trägerschaft des geplanten „Zentrums gegen Vertreibungen“. Ich stimme Ihnen ganz zu, dass die Schicksale vertriebener Menschen respektiert werden müssen. Es sind immer auch Kinder und Unschuldige, die betroffen waren und sind. Nicht jeder Fall ist gleich, aber alle sind wichtig. Daher erwähnen Sie die 15 Millionen Opfer deutscher Deportationen und auch Albaner, Armenier, Ukrainer, Weißrussen, Esten, Georgier, Inguschen, Krimtartaren, Polen, Sinti, Roma, Tschetschenen, Zyprioten, Ostpreußen, Schlesier und Sudetendeutsche.

Ihre Absicht, einen Gesamtüberblick über die Vertreibungen in Europa in der jüngeren Geschichte herzustellen, ist zu begrüßen, obwohl, nein, gerade weil dies zu Diskussionen führen wird. Natürlich gehören in diesen Diskurs auch palästinensische Vertriebene, die unbestreitbar eine Folge des Zweiten Weltkriegs waren. Wer die vertriebenen Palästinenser in einem solchen Zentrum unberücksichtigt lässt, wird diesem bedeutungsvollen Zusammenhang nicht gerecht, es besteht die Gefahr, dass das Projekt Tabus begünstigt, indem es über bestimmte historische Aspekte schweigt. Daher plädiere ich dafür, im „Zentrum gegen Vertreibungen“ eine Rubrik für die Aufarbeitung der palästinensischen Geschichte einzurichten, im Rahmen des internationalen Diskurses. ANIS HAMADEH, Kiel