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: Eröffnungen feiern, wie sie fallen

Russischer Sekt in Frankfurt

Es gibt oft Wichtigeres und Drängenderes im Leben eines Politikers als die Eröffnung einer Buchmesse. Etwas skurril ist diese Absage aber schon: Wladimir Putin kann nicht nach Frankfurt kommen, weil er seinen 50. Geburtstag feiern muss.

Stattdessen ist Russlands Vizepremierministerin Garlina Karlova da, um das Gastland der diesjährigen Buchmesse vorzustellen und ein Hoch auf die guten Beziehungen beider Länder anzustimmen: ökonomisch, politisch und kulturell natürlich.

Stolz seien die Russen auf ihre Literatur, sagt Frau Karlova, von Tolstoi bis Solschenizyn (!). Stolz aber auch, die „neuen Seiten“ Russlands hier in Frankfurt vorstellen zu können, „die Ästhetik des Auf- und Umbruchs“. Und stolz auf ein Land, das mit enormem Optimismus in die Zukunft schaue.

Es ist also wie jedes Jahr auf der offiziellen Eröffnung der Frankfurter Buchmesse: Die Stunde des hohen, schönen, salbungsvollen und feierlich nachdenklichen Wortes hat geschlagen. Immerhin räumt Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth ein, dass sie die von Buchmessendirektor Volker Neumann angefachte Diskussion um einen Standortwechsel der Messe nach München viel Nerven gekostet hätte. Zu hart, zu langwierig, zu aufgeregt und zu sehr Gegenstand medialer Aufmerksamkeit sei die „Auseinandersetzung“ gewesen, als dass sie an dieser Stelle darüber schweigen wolle.

Roth zeigt sich erleichtert über den Verbleib der Buchmesse in Frankfurt und verweist in einer Art nachträglicher Bewerbung noch mal auf Frankfurts Vorzüge und seine enge, traditionell gewachsene Beziehung zu Literatur und Verlagswesen hin. Mehrmals erhält sie dabei spontanen Applaus aus dem Auditorium.

Buchmessenchef Neumann wiederum ficht das nicht an. Er wirkt bei seiner durchgängigen Moderation dieser Eröffnung vom ganzen Auftreten her wie einer, dem es Spaß macht, den Gastgeber zu geben und die Redner vorzustellen, der sich aber auch diebisch darüber freut, Wirbel gemacht zu haben. Im Zweifelsfall gehen ihm Geschäft und Erfolg vor Tradition.

Noch aber hält sich alles schön die Waage, weshalb es nach den Reden von Christina Weiß („So viel Russland war in Deutschland nie!“), dem Verlegerguru Lord Weidenfeld und dem russischen Schriftsteller Wladimir Makanin wie üblich in eine der Räumlichkeiten des Gastlandes geht.

Russland stellt hier im Forum der Buchmesse St. Petersburg mit einer Ausstellung vor, rührend und nicht frei von Kitsch mit Bildern, Musik, Kunsthandwerk (die Matroschkas!) und russischen Bonbons.

Nur beim Sekttrinken kennt man keine Tradition und kein Pardon: Da werden die Gläser zuerst mit Freixenet gefüllt, bevor es an das Köpfen des russisches Sektes geht. Russland könne man jetzt ja abhaken, äußert abschließend eine Verlagsmitarbeiterin hoffnungsfroh, wird dann aber beim ebenfalls traditionellen Berlin-Verlag-Empfang im Frankfurter Hof eines Besseren belehrt: Verlagschef Conradi weist in seiner Ansprache voller Freude auf „seine Russen“ hin, auf Gary Sthyngart, Orlando Figes und Vladimir Sorokin. Russland bleibt, zumindest die Buchmesse über.

Überhaupt will Conradi nichts anderes als Freude und Optimismus verbreiten und schon gar nicht seine Gäste langweilen mit dem schweren Jahr, das alle Verlage hinter sich hätten. Viel Spaß habe man in den bisherigen sechs Monaten der Zusammenarbeit gehabt, ergänzt Conradis neuer Kompagnon vom englischen Bloomsbury-Verlag, vergisst aber nicht, alles Streben der Verlage jenseits der schönen Literatur auf den Punkt zu bringen: Endlich sei man mit Bloomsbury auf allen drei großen Buchmärkten der Welt vertreten, England, den USA und Deutschland. Willkommen auf der Buchmesse!

GERRIT BARTELS