tückische tücher
: Christen werfen Nebelkerzen

Interessant, wer in letzter Zeit so alles die Frauenrechte hochhält: der bayerische Innenminister; die CSU; die evangelische Kirche. Sie alle wissen, dass das muslimische Kopftuch ein Symbol der Frauenunterdrückung ist. Brandgefährlich und quasi schon als Kleidungsstück verfassungsfeindlich, weil es die Ungleichheit von Frauen und Männern betont. Raus damit aus den Schulen, so tönen sie. Es ist ein Ablenkungsmanöver.

Kommentar von HEIDE OESTREICH

Acht Bundesländer verkündeten gestern erneut, muslimische Lehrerinnen ihrer Kopfbedeckung berauben zu wollen. Das öffentliche Warngeheul soll davon ablenken, dass sie ein ziemlich großes Problem haben: Das Kopftuch ist zunächst ein Kleidungsstück und dann ein religiöses Symbol. Ein politisches Symbol ist es nur für manche Leute. Und wer es gar als verfassungsfeindlich bezeichnet, rückt es in die Nähe des Hakenkreuzes. Das ist absurd. Von der wilden Mischung aus Bäuerinnen, Gläubigen und Modemuslimas, die sich unter dem Kopftuch finden, kann man kaum behaupten, sie lehnten allesamt den demokratischen Rechtsstaat ab. Das zweite Argument, das Kopftuch sei ein Symbol der Ungleichheit und damit verfassungswidrig, ist geradezu niedlich. Schließlich klagen christliche Bayern mindestens genauso wie traditionelle Muslime über die angeblich übertriebene Gleichmacherei der Geschlechter durch Feministinnen.

Warum also produzieren die Kopftuchgegner so merkwürdig schiefe Töne? Weil sie das Offensichtliche nicht herausbringen: Wer das Kopftuch verbannt, verbannt nicht verfassungsfeindliche Kleidung aus der Schule. Sondern religiöse.

Dafür gibt es sehr gute Gründe. Beamte in der Schule vertreten den Staat. Der soll neutral gegenüber den Religionen sein. Das geht mit einem muslimischen Kopftuch nicht besonders gut. Aber auch nicht im Habit einer Nonne oder mit einer Kippa auf dem Kopf. Die verbotswilligen Länder können noch lange grübeln, sie werden schwerlich einen anderen Weg finden: Sie werden alle religiöse Kleidung entfernen müssen – oder keine.

Übrigens: Die katholische Kirche schweigt die ganze Zeit so fein. Warum? Weil sie noch nicht mal die Unterdrückung der Frauen bei den Muslimen anprangern kann. Sonst würde vielleicht auffallen, dass der deutsche Staat eine Gemeinschaft mit zahlreichen Privilegien ausgestattet hat, die tatsächlich und handfest gegen Artikel 3 der Verfassung verstößt: Berufsverbote für Frauen sind in dieser Institution schließlich gang und gäbe.