Israels deutsche Atom-U-Boote

Laut einem Bericht der „Los Angeles Times“ sind von Deutschland an Israel gelieferte U-Boote umgebaut und mit Mittelstreckenraketen mit Atomsprengköpfen bestückt worden. Das sollen israelische und US-Quellen bestätigt haben

KAIRO taz ■ „Das ist alles Blödsinn“ und „Sie haben keine Ahnung von militärischen Dingen“, war die Antwort Rudolf Scharpings, damals Bundesverteidigungsminister, als er bei einem Besuch in Kairo im Dezember 2000 mit der Frage konfrontiert wurde, ob Deutschland an Israel U-Boote geliefert habe, die potenziell mit nuklearen Raketen bestückt werden können.

Nun bestätigen laut einem Bericht der Los Angeles Times vom Sonntag zwei US-amerikanische Regierungsbeamte und ein weiterer ebenfalls nicht namentlich genannter israelischer Offizieller, dass israelische Ingenieure von den USA gelieferte Cruisemissiles, so genannte Harpoon-Raketen, so modifiziert hätten, dass sie mit nuklearen Sprengköpfen ausgerüstet und von U-Booten abgeschossen werden können. Trägersystem: drei von Deutschland 1999 und 2000 gelieferte U-Boote.

Im Oktober 2000 war die Tekuma, das letzte von drei in Deutschland gebauten dieselbetriebenen U-Booten der Dolphin-Klasse ausgeliefert worden, von Israel bezahlt. Die ersten beiden U-Boote waren von deutscher Seite finanziert worden. Die Kohl-Regierung hatte diese Militärhilfe nach dem Golfkrieg 1991 abgezeichnet, nachdem Israel von irakischen Scud-Raketen getroffen worden war.

Schon beim Bau und der Auslieferung wurden Spekulationen laut, dass die Boote und ihre Bewaffnung in Israel so umgebaut werden, dass sie Israel eine seegestützte nukleare Zweitschlagfähigkeit geben. Der auf Sicherheitsfragen spezialisierte Informationsdienst „stratfor“ bezweifelte im Oktober 2000, dass die deutschen U-Boote zum Einsatz gegen die schwache Marine von Israels arabischen Nachbarländern gedacht seien. Bereits im September 1999 berichtete die Zeitschrift Jane’s International Defence Review, unter Bezug auf Quellen, die dem deutschen Konstruktionsprojekt nahe stünden, dass Israel plane, die U-Boote für einen nuklearen Einsatz umzubauen. Die Tekuma eignet sich dafür auch, weil sie mit 35 Crewmitgliedern über einen Monat lang ohne Pause auf See operieren kann.

Im Juni 2000 berichtete die britische Sunday Times sogar, dass von einem der von Deutschland gelieferten U-Boote im Indischen Ozean in der Nähe von Sri Lanka ein erster Raketentest durchgeführt worden sein soll. Ebenfalls erwähnt sind die nuklear bewaffneten U-Boote in einem Buch der US-amerikanischen Carnegie Stiftung, das im Juni 2002 veröffentlicht wurde. Von offizieller deutscher Seite aber wurde stets abgestritten, dass die U-Boote nuklear bestückt werden können.

Daniel Seaman, ein Sprecher der israelischen Regierung bestätigt jetzt, dass die U-Boote mit Harpoon-Raketen ausgerüstet sind, will sich aber nicht zu dem genauen Typ der Sprengköpfe äußern. Wie der US-Nuklearhistoriker von der Umweltorganisation „Natural Ressources Defense Council“ in Washington der Los Angeles Times erklärte, soll es für die israelischen Ingenieure relativ einfach sein, die Größe der Harpoon-Raketen anzupassen und das Leitsystem so umzubauen, dass es für Ziele an Land geeignet ist.

Nach Schätzungen besitzt Israel 200 atomare Sprengköpfe und wäre damit die sechstgrößte Nuklearmacht der Welt. Israel hat seine nuklearen Fähigkeiten niemals bestätigt oder abgestritten. Mit Hilfe eines Geheimabkommens mit Frankreichs 1956 hatte Israel in der Negev-Wüste in Dimona einen Nuklearreaktor gebaut, der waffenfähiges Plutonium produziert. 1969 kamen US-Präsident Richard Nixon und die israelische Premierministerin Golda Meir überein, dass die USA in die andere Richtung schaut, solange Israel sein militärisches Atomprogramm geheim hält und keine Atomwaffentests durchführt.

Laut Los Angeles Times nehmen US-Geheimdienste Israel in ihren Berichten über Staaten, die Massenvernichtungswaffen produzieren, stets aus. Die Clinton-Regierung hat den Verkauf von detaillierten US-Satellitenaufnahmen von israelischem Territorium untersagt, um den israelischen Nuklearkomplex und andere sensible Installationen zu schützen. KARIM EL-GAWHARY