Der magentafarbene Panther

TV-Figuren, die für Produkte werben, stärken alle Bindungen: vom Zuschauer zum Sender, vom Verbraucher zur Marke, vom Sender zum Hersteller. Also interessieren sich Fernsehmacher zunehmend fürs Lizenzgeschäft – und weniger fürs Programm

aus Cannes WILFRIED URBE

Eine Fernsehmesse ist die Mipcom in Cannes. Die weltgrößte sogar. Also könnte man annehmen, dass es dort in erster Linie um das geht, was das Fernsehen eigentlich ausmacht: das Programm. Wer sich allerdings dieses Jahr dort herumtreibt, der bekommt den Eindruck, dass die TV-Verantwortlichen kaum noch an Geschäften mit Filmen und Serien interessiert zu sein scheinen. Es geht vielmehr um Rechtehandel, Lizensierung und Merchandising. Denn da ist eine Menge Geld zu holen.

Knapp anderthalb Milliarden Dollar Umsatz jährlich, schätzt Super RTL-Chef Claude Schmit, erzielt die US-Reihe „Sponge Bob“ mit rund 4.500 Merchandising-Artikeln in ihrem Heimatland. Ein Marktkenner nimmt an, dass sich mit einer „Superstar“-Staffel rund 300 Millionen Euro umsetzen lassen – Werbeeinnahmen, CD-Verkäufe, Telefonerlöse und Merchandising zusammengerechnet. In Frankreich macht der Sender M 6 schon mehr Geld mit Nebeneinkünften, als mit dem eigentlichen Programm.

Vincent Pesqeut von der Produktionsfirma „Calt“ beispielsweise produziert für M 6 eine Comedy-Serie über Büroangestellte, „Camera Cafe“. „Vom Comic-Buch bis zu T-Shirts und DVDs nutzen wir alle Möglichkeiten“, sagt er. Im nächsten Jahr wird es in einer französischen Supermarktkette gar „Camera Cafe“-Kaffee-Ecken geben.

Und das Ganze ist ein weltweites Geschäft. So plant Travis Rutherford von Metro Goldwyn Mayer für den 40sten Geburtstag des rosaroten Panters (läuft auch auf Super RTL) im nächsten Jahr eine weltweite Marketing-Kampagne. Partner in Deutschland: die Telekom. Das Ziel, genau wie in Nord- und Südamerika, im restlichen Europa, Australien und China: der massenhafte Verkauf von DVDs und Merchandising-Produkten. Das soll Kasse machen.

Ein Sender, der sich in Deutschland bereits stark auf die Nebenerlöse konzentriert und dadurch profitabel wurde, ist Super RTL. „Es war schnell klar, dass bei optimaler Ausschöpfung des Kinderwerbemarktes keine Gewinne über bleiben würden, da haben wir stärker in die Nebenrechte investiert, um die Verwertungskette intensiver zu betreuen“, beschreibt Schmit. So haben beispielsweise mittlerweile 30.000 bezahlende Abonnenten für 59 Euro im Jahr Zugriff auf das Internetangebot „Club Toggo“ – außer bei den Anbietern von Sexsites schafft das sonst niemand. Mit den zusätzlichen Angeboten wurden zwar die Umsätze nicht enorm erhöht, aber der Profit. Schmit: „Das Gute an den Merchandising-Geschäften ist, dass der Umsatz komplett als Gewinn weitergeht.“ Die Kunden können außerdem Lizenzen kaufen und die Charaktere für ihre Produkte nutzen. „Das erhöht zusätzlich die Kundenbindung.“

Und die Bindung zwischen Medien und Markenartiklern wird sich dadurch intensivieren. „Da muss man sich nichts vormachen“, prognostiziert Schmit, „die Werbeindustrie wird zukünftig noch mehr Programme direkt mit finanzieren.“

Damit steht möglicherweise auch eine andere Entwicklung im Zusammenhang, die sich in Cannes klar abzeichnet – eine Polarisierung: Kostengünstige Instant- und Wegwerf-Formate werden wohl noch lange die TV-Landschaft bestimmen. Reality-Dokus beispielsweise, in denen Menschen innerhalb weniger Folgen komplett verwandelt werden: neu gestylt von Schönheitsexperten, zum Marathon-Mann gestählt, reicher gemacht von Finanzprofis, vom Single zum Beziehungsmenschen gedatet oder aber auch zum Popstar geformt.

Andererseits erhöht sich offenbar aber der Bedarf an qualitativ hochwertigen Produktionen, wie kostspielige Dokumentationen etwa. Jetzt wurde in Cannes der ZDF-Dreiteiler „Stalingrad“ für den „International Emmy“ nominiert. Auch der aufwendig gemachte fiktionale Bereich spielt eine große Rolle. „TV-Highlights sind für die Sender sehr wichtig, weil sie darauf aufbauen können“, erklärt Jens Richter, Geschäftsführer von Beta Film, „so schaffen sie Attraktionen, prägen damit ihre Marke.“ Der solide Mittelbau scheint dafür wegzubrechen.

Gerade vertreibt Beta Film „Mutter Teresa“, eine aufwendige deutsch-italienische Koproduktion über das Leben der Nonne, die in den indischen Slums für gute Werke sorgte. Die kostet immerhin 12 Millionen Euro.

Doch wenn sich auf der anderen Seite Markenhersteller mildtätig erweisen, Lizenzen für die Werbenutzung von Fernsehfiguren erwerben, oder sich hier und da an Produktionskosten beteiligen, kann man sich das leisten.