Begeisterung und Ärger im Iran

Hinter der Verleihung des Friedensnobelpreises wittern die Konservativen den Einfluss der USA und Israels. Schirin Ebadi wird heute in Teheran erwartet. Ihr Empfang könnte zu einer großen politischen Demonstration werden

BERLIN taz ■ Das Osloer Komitee hat mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an die iranische Rechtsanwältin Schirin Ebadi voll ins Schwarze getroffen. Während die Auszeichnung unter der Bevölkerung Jubel auslöste und die Vertreter der Reformbewegung sich in ihrem Bestreben nach einer zivilen Gesellschaft bestätigt und ermuntert fühlten, reagierten die Rechten erbost und verärgert. Der staatliche Rundfunk und das Fernsehen verkündeten die Nachricht mit vierstündiger Verspätung. Die meisten konservativen Blätter ignorierten die Preisverleihung oder brachten sie als kurze Meldung auf den letzten Seiten.

Assadollah Badamtchian, Sprecher der „Islamischen Vereinigung“, sagte in einem Interview mit der studentischen Nachrichtenagentur ISNA, der Friedensnobelpreis diene eindeutig politischen Zielen und den Interessen der USA und Israels. Er erinnerte an die Preisverleihung an Menachem Begin und Anwar as-Sadat, der „das palästinensische Volk verraten“ habe. Selten sei der Preis an Menschen verliehen worden, die sich um das eigene Volk verdient gemacht hätten. „Es ist folgerichtig, wenn nun eine Person den Preis erhält, die sich Reformist nennt und von Powell, Blair und Bush unterstützt wird. Wenn die Auszeichnung wegen der Reformen vergeben worden ist, die im Dienste des Westens stehen, dann ist sie für die Preisträgerin eine Schande.“

Der Abgeordnete Mussa Ghorbani, Mitglied der Fraktion der Konservativen, sagte, Schirin Ebadi habe nichts unternommen, was dem Weltfrieden gedient haben könnte. Sie sei eine Juristin und vertrete Ansichten, die „zu der islamischen Rechtsauffassung im Widerspruch stehen“. Daher sei die Auszeichnung nicht für den Weltfrieden, sondern gegen den Islam.

Der Geistliche Seyd Tah Haschemi, Chefredakteur der Zeitung Entechab, meinte, Ebadi hätte ohne die Zustimmung der USA nie den Preis erhalten. Die Tageszeitung Djomhuri-e eslami erwähnte das Ereignis in einer kurzen Meldung unter der Überschrift: „Westen gibt Ebadi Friedensnobelpreis“.

Weder Revolutionsführer Ali Chamenei noch Staatspräsident Mohammad Chatami haben sich bislang zur Preisvergabe geäußert. Immerhin drückte Regierungssprecher Abdollah Ramezanzadeh in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP seine Freude darüber aus, dass „eine iranische Muslimin wegen ihres Einsatzes für den Frieden eine internationale Auszeichnung erhalten“ habe. „Wir hoffen, in Zukunft mehr von ihren Kenntnissen profitieren zu können“, sagte er. Auch der parlamentarische Stellvertreter des Präsidenten, Mohammad Ali Abtahi, zeigte sich glücklich, dass „eine Persönlichkeit aus Iran, ja noch mehr, eine iranische Frau“ den Preis erhalten habe. „Das ist ein Hinweis auf die politische und gesellschaftliche Rolle der Frauen in unserem Land. Die Tatsache, dass eine Juristin ausgezeichnet worden ist, lässt hoffen, dass die Justiz daraus die richtigen Lehren zieht und ihr Verhalten ändert.“

Sämtliche Wortführer der Reformbewegung, darunter zahlreiche Parlamentarier, bezeichneten die Preisverleihung als einen wichtigen Ansporn für alle, die sich für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie einsetzen. Iraner im In- und Ausland gratulieren sich gegenseitig. Die reformorientierte Tageszeitung Schargh, die dem Ereignis mehrere Seiten widmete, meinte, die Welt habe endlich auf den Schrei der Iraner nach Freiheit angemessen reagiert. Jeder Iraner werde den Preis auch als Anerkennung seiner eigenen Aktivitäten empfinden. Doch es gäbe auch Menschen, die „ihre knirschenden Zähne hinter einer Maske der Gleichgültigkeit verbergen oder Verschwörungstheorien basteln“.

Zahlreiche Gruppen, Frauenverbände, namhafte Schriftsteller, Künstler, Filmemacher, Journalisten, sogar Fußballnationalspieler bereiteten sich gestern auf den Empfang Ebadis vor, die heute aus Paris in Teheran eintreffen soll. Es wird damit gerechnet, dass hunderttausende zu ihrer Begrüßung zum Flughafen kommen. Eine Gruppe hat sogar vorgeschlagen, den Empfang mit einer Volksbefragung über das Regime zu verbinden. Jeder, der einen Machtwechsel wünsche, solle an dem Empfang teilnehmen. BAHMAN NIRUMAND