Kaukasische Erdöldynastie lässt wählen

In Aserbaidschan dürfte mit den heutigen Wahlen die Macht vom Vater auf den Sohn Alijew übergehen

MOSKAU taz ■ Aserbaidschan wählt heute einen neuen Präsidenten. Damit geht eine fast 35 Jahre lange Ära zu Ende, in der Potentat Heidar Alijew die Zügel in Baku fest in den Händen hielt. Zunächst als Chef der Kommunisten und Politbüromitglied der KPdSU am Kaspischen Meer, seit 1991 dann als Präsident des souveränen Aserbaidschans. Erst in der letzten Woche hatte der greise Republikschef, nachdem er ein halbes Jahr nicht mehr öffentlicht aufgetreten war, endgültig auf eine weitere Kandidatur verzichtet. Einem Krankenhausaufenthalt in der Türkei folgte eine Behandlung in den USA.

Dass sich Alijew nicht persönlich an sein Volk wandte, sondern eine Erklärung verlesen ließ, werteten Beobachter bereits als Indiz fortgeschrittener Schwäche. Eine persönlich vorgetragene Bitte des Vaters, seinen Sohn Ilham zu wählen, hätte sicher größere Wirkung erzielt. Doch ist dies überhaupt nötig? Die Republik ist für Wahlschiebereien bekannt. Im April gestand Alijew dies gar indirekt ein. Diesmal sollte es korrekte Wahlen geben, versprach er, nachdem Umfragen ihm einen Zuspruch von 70 Prozent prophezeiten. Die dynastische Übergabe der Regentschaft hat Alijew senior seit langem vorbereitet. Im August ließ er das Parlament (mit zehn handverlesenen Oppositionellen) die Verfassung ändern, um den 40-jährigen Sohn Ilham zum Premier zu küren.

So reibungslos wie bisher scheint dieser Wahlgang für den Alijew-Clan jetzt aber nicht zu laufen. Nach der Verzichtserklärung des Präsidenten zogen hunderttausend Gegner durch Baku. Es war die größte Demonstration seit Jahren. In den Provinzstädten Lenkoran und Massali nahmen mehrere tausend Anhänger der oppositionellen Volksfront und Nationalen Unabhängigkeitspartei an Kundgebungen teil, obwohl die Polizei dies zu verhindern suchte.

Der Abgang des Potentaten weckte in der bisher wenig schlagkräftigen Opposition neue Hoffnungen, während sich in der Regierungspartei Yeni Aserbaidschan Unsicherheit ausbreitet. Großes Vertrauen in Ilhams Führungsfähigkeit hegt man dort nicht. Bisher hatte sich der Alijew-Spross als Playboy und Spieler hervorgetan, sodass sich sein Vater 1997 sogar genötigt sah, alle Casinos in Aserbaidschan zu schließen. Als Chef der staatlichen Ölgesellschaft „Socar“ saß Ilham, der sich gern auch als „Architekt der aserbaidschanischen Ölindustrie“ vorstellt, direkt am Geldhahn.

Die Situation sei explosiv, warnt Andreas Gross, der für die Parlamentarische Versammlung des Europarats vor Ort weilt. Wahlfälschungen würden diesmal zu einer Katastrophe führen. Die Militanz im Volk ist gewachsen. Der Europarat hatte schon zuvor die Wahlkampfmethoden der Alijews kritisiert. Oppositionskandidaten erhielten nur zehn Minuten TV-Werbezeit.

Mit einem Sieg der Opposition ist trotz wachsender Unzufriedenheit nicht zu rechnen. Denn Ilham Alijew wird auch von den USA unterstützt. Präsident Bush erhob Aserbaidschan im September während einer US-Visite des jungen Alijew zum strategischen Partner. Washington glaubt seine Erdölinteressen in den Klauen des Clans bestens aufgehoben. Ähnlich sieht es Russland, das Einfluss zurückgewinnen möchte. Beide Mächte buhlen um Ilhams Gunst und pfeifen auf die Demokratie.

KLAUS-HELGE DONATH