Allein, es bröckelt schon

Die Verdienste des Adolf Grimme Instituts wird niemand leugnen wollen. Doch wie steht es um die Fördermittel?

Schön ist das Gebäude des Adolf Grimme Instituts im Industrieflecken Marl am nördlichen Rand des Ruhrgebiets nicht. Dafür steht es unter Denkmalschutz, als Beispiel sachlicher Baukunst der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Lange war das Denkmal undicht, jetzt endlich, nach jahrelangen Verhandlungen, wird saniert.

Ironie des Augenblicks: Das Dach wird wieder dicht, doch ob das Institut darunter überlebt, steht in den Sternen. In zwei Tranchen will die NRW-Landesregierung 2004 und 2005 jeweils ein Fünftel ihrer Zuschüsse für das Forschungsinstitut zurückfahren. Es geht dabei gar nicht um Millionenbeträge, die das medienverliebte Bundesland einst für Filmproduktionsstätten und Special-Effects-Fabriken in den Sand setzte. Sondern um die lächerlich bescheidene Summe von aktuell gerade noch 514.000 Euro pro Jahr.

Und es geht auch nicht so sehr um den Adolf Grimme Preis. Der ist unstrittig das bekannteste und wichtigste „Produkt“ des Instituts. So wichtig, dass die TV-Sender, allen voran die Öffentlichen-Rechtlichen, schon das ihre tun werden, um Deutschland renommiertesten Fernsehpreis in all seiner Unabhängigkeit zu erhalten. Zwei sind ohnehin schon heute in der Pflicht: Der Westdeutsche Rundfunk und das ZDF gehören zu den Gesellschaftern des als gemeinnützige GmbH verfassten Instituts.

Man könnte sich also zurücklehnen, wenn da nicht eben noch eine Bundesfamilienministerin etwas vom Verbrechen getönt hätte, das darin bestehe, einem Dreijährigen einen eigenen Fernseher ins Kinderzimmer zu stellen. „Körperverletzung“ sei das ihres Erachtens, hat Renate Schmidt (SPD) zum Auftakt der Internationalen Funkausstellung erklärt und anschließend das hohe Lied der Medienpädagogik angestimmt. Nur: Wer betreibt hierzulande Medienpädagogik? Allen Bekenntnissen zum „Mehr“ folgt in der Realität eher ein „Weniger“. Im Juni stellte nach 25 Jahren die von der evangelischen Kirche finanzierte Fachzeitschrift medien praktisch ihr Erscheinen ein. Wer also betreibt hierzulande noch Medienpädagogik? Grimme, zum Beispiel. Eher unspektakulär, dafür erfolgreich, seit Jahrzehnten. Der Medienpädagogische Atlas NRW, um ein Projekt zu nennen, kommt aus Marl. Lernzeit.de, die seit 1998 wachsende Online-Wissensschmiede des WDR, die aus dem gesamten Angebot der Anstalt Wissenswertes und Hintergründiges filtert, kommt ebenfalls von Grimme. Doch ein Kahlschlag bei Grimme träfe nicht nur solche kaum je öffentlich wahrgenommenen Kompetenzen, er träfe auch das Leitmedium Fernsehen. Schließlich leistet sich das Institut mit dem jährlichen „Jahrbuch Fernsehen“ die einzige unabhängige Reflexion über das gesamte TV-Spektrum und pflegt ganz nebenbei die ebenfalls im Absterben begriffene Kunst der Fernsehkritik. Und die für das aufwändige Nominierungs- und Bewertungsverfahren des Grimme-Preises in Marl kasernierten Jurys machen das Institut zu einem der wenigen geschützten Zentren für die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Fernsehen fernab der marktschreierischen Pseudo-Diskussion auf den einschlägigen Großkongressen. Allein, es bröckelt schon: Die Marler Tage der Medienkultur, sonst alljährlich im Herbst bei Grimme im Programm, fanden 2003 schon nicht mehr statt.

STEFFEN GRIMBERG