maxim biller verboten
: Literatur ohne Liebe

Also, ihr Schriftstellerinnen und Schriftsteller, von nun an aufpassen beim Schreiben von Liebesromanen! Kann schließlich sein, dass sich einE Ex-LoverIn darin wiedererkennt und vor Gericht zieht.

Kommentarvon DIRK KNIPPHALS

Keine Frage: Das Verbot von Maxim Billers Roman „Esra“ schränkt die Kunstfreiheit ein. Dies ist nicht der Moment, mit dem Relativieren anzufangen und sich Fragen zu stellen wie: War das wirklich ein guter Roman? Oder: Spielt Maxim Biller seiner Exfreundin nicht wirklich zu heftig mit? Das gerade wird man nun nicht mehr überprüfen können.

Zudem bedenke man die Ironie der Situation: In jahrhundertelangen gesellschaftlichen Kämpfen wurde die Freiheit der Literatur mit hohem persönlichem Risiko verteidigt. Gegen Päpste und Könige, gegen den restaurativen Adenauerstaat, gegen Franz Josef Strauß („Ratten und Schmeißfliegen“) und immer wieder gegen allerlei bigotte Moralisten, die ebenso gerne wie schnell angeblichen Schund verbieten ließen. Alle großen Gegner besiegt. Aber im Versuch, die Literatur nun gegen etwas so Allgemein-Menschliches wie enttäuschte Liebe zu verteidigen, hat man sich nun eine Niederlage abgeholt.

Zu große Worte? Den Fall „Esra“ zu sehr ins Allgemeine aufgeblasen? Keineswegs. Schon sind die nächsten Fälle vor den Gerichten anhängig, weitere werden folgen. Weder die Aura der großen Kunst (Thomas Manns Selbstverteidigungen seiner „Collagen“) noch die Paradefälle der Vergangenheit („Mephisto“-Prozess) scheinen die Autoren noch zu schützen. Kommentare, die „Wehret den Anfängen“ rufen, sind sonst oft langweilig – jetzt sind sie angebracht.

Denn warum sollen nur Exgeliebte gegen Romane klagen dürfen? Warum nicht auch ehemalige Freunde? WG-Mitbewohner? Kollegen? Sportskameraden? Was wird das erst für ein fröhliches Klagen und Verbieten werden, wenn sich noch weiter herumspricht, dass Schriftsteller ihre Geschichten nicht vom Heiligen Geist empfangen. Und warum sollten nicht auch Politiker klagen dürfen? Helmut Kohl etwa, falls einer sich daran machen sollte, aus seiner Ehe mit Hannelore einen Roman zu machen.

Wer sich nach dem Urteil klammheimlich ins Fäustchen lacht, vielleicht weil er prinzipiell auf Seiten der Frauen steht oder Maxim Biller sowieso nicht ausstehen kann oder nun auch auf ein Verbot von Dieter Bohlen hofft – der könnte bald unangenehme Erfahrungen machen.

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