Ende des Talar-Muffs

Von Lüneburg bis Göttingen: Mit Semesterbeginn regt sich der Widerstand gegen Uni-Kürzungen. Ein Präsident spricht vom „Totmachen“ seiner TU

aus Hannover Kai Schöneberg

Es heißt Hochschuloptimierungskonzept oder kurz HOK – die Betroffenen sehen am Plan von Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) wenig Optimales. Der will im kommenden Jahr 40,6 Millionen Euro, ab 2005 zusätzlich zehn Millionen an den Hochschulen Niedersachsens sparen. In den Semesterferien war wenig Widerspruch zu hören. Jetzt löst sich der Muff von den Talaren: Uni-Rektoren begehren auf, heute beginnt mit einer Vollversammlung an der Uni Hannover die lange angekündigte Protestwelle der Studenten im Land.

„Freier Geist ist hier nach der Kürzungsarie wohl kaum mehr zu erkennen“, sagt Robert Menger vom AStA der Uni Hannover zum erwachenden Widerspruchsgeist der Kommilitonen – und dazu, dass hier den Romanisten und Soziologen das Ende droht. Menger: „Was uns bleibt, ist nur noch konservative Berufsausbildung.“

In der kommenden Woche werden sich alle Hochschulstandorte dem Protest anschließen. Landesweit wollen die Studierenden am Dienstag auf die Straße gehen. Dann will das Kabinett den zweiten Teil des HOK beschließen, bereits kursierende Horrormeldungen dürften endgültig Beschlusslage werden. Spitzenwissenschaftler würden einer „kaputtgesparten“ Göttinger Uni den Rücken kehren, fürchtete bereits Uni-Präsident Horst Kern, die TU Clausthal spricht sogar vom „Totmachen“ des Standortes. Dort müssen 4,5 Millionen Euro oder 100 von 750 Stellen eingespart werden. TU-Präsident Ernst Schaumann klagte, dass der Studienbetrieb „tiefgefroren“ werden solle.

Dabei bleibt Clausthal noch relativ ungeschoren. Die Fachhochschulen in Buxtehude und Nienburg/Weser werden dicht machen müssen (taz berichtete). Gestern protestierten fünf Landkreise gegen die Aufgabe der Ausbildung von Bauingenieuren und Architekten in Buxtehude – wahrscheinlich vergeblich. Für die Rettung ihrer Nienburger Filiale will sich die Fachhochschule Hannover stark machen. Aber auch die FH leidet unter dem Sparwahn Stratmanns – 2,5 Millionen oder 57 Stellen will der Minister aus dem Etat knappsen: „Wir haben der Regierung ein Konzept vorgelegt, wie die Stellen gekürzt und Nienburg dennoch erhalten werden kann“, sagte FH-Präsident Arno Jaudzims.

Auch in Braunschweig ein Wegfall jeder zehnten Stelle. Während in der Landeshauptstadt etwa 250 Bedienstete auf der Streichliste stehen, sind es an der TU Braunschweig rund 170. Das heißt, dass hier die Lehrerausbildung kippen dürfte.

Bereits offiziell ist die Fusion von FH und Uni in Lüneburg zur „Stiftung Universität Lüneburg“. Hier soll eine Pilothochschule mit Bachelor- und Master-Abschlüssen entstehen – mit 50 Verwaltungsstellen weniger als bislang.

Bei einer eigens eingerichteten Klage-Mailadresse im Wissenschaftsministerium trudelt derweil täglich ein Dutzend Kommentare zum HOK ein. „Da ist alles dabei: Von wüsten Beschimpfungen bis zum Lob für unsere Kommunikationsbereitschaft“, sagt Sprecher Thomas Philipp Reiter. Ändern dürften die Mails jedoch wenig.

hok@mwk.niedersachsen.de