Warte, bis du‘s hörst

Darauf kann man tanzen und trinken: Stuart David erzählt in seinem Roman „Peacocks Manifest“ ein Märchen aus der Welt der Popmusik

Peacock Johnson ist sich seiner Sache vollkommen sicher. Glen Campbells Klassiker aus den Siebzigern wartet nur darauf, in einen aktuellen Chartbreaker verwandelt zu werden: „Ich hab keinen Dunst, wie das gemacht wird, aber das ist auch nicht wichtig.“ Peacock stutzt seinen Schnurrbart, zieht sein bestes Hawaii-Hemd an und gibt sein letztes Geld für einen Flug von Glasgow in die Staaten aus, um sich dort mit einem Produzenten zu treffen: „Wenn dieser Kerl sich mit seinem Zeugs auskennt, wird es ein Irrsinnshit weltweit.“

Der Kerl kennt sich nicht aus. Evil Bob, der in Chicago im Foyer des Hotels auf Peacock wartet, trägt Schlangenlederstiefel und ein Haarnetz, und er hat noch nie in seinem Leben ein Studio von innen gesehen. Immerhin ist er von Peacocks Idee sofort begeistert. Also begeben sich die beiden auf eine abenteuerliche Reise durch die USA, um ihren gemeinsamen Traum von einem Nummer-1-Hit wahr werden zu lassen: Stuart Davids zweiter Roman „Peacocks Manifest“ erzählt ein modernes Märchen aus der Welt der Popmusik, in der man bekanntlich mit Hilfe eines versierten Hexenmeisters, einem Sampler und ein paar anderen magischen Apparaturen dem Gold vergangener Zeiten zu neuem Glanz verhelfen kann. Das sollte eigentlich auch mit Campbells gutem, altem „Rhinestone Cowboy“ funktionieren: „Wenn wir einen Dance-Rhythmus draufpacken und ein paar von diesen verfluchten Techno-Effekten, wird er sich eine Million Mal verkaufen. Zwei Millionen. Zehn Millionen, verdammt.“

Darauf kann man tanzen: Stuart David, der Mitbegründer der schottischen Band Belle & Sebastian, hat nach seinem etwas sehr verträumten Debüt „Wie Nalda sagt“ mit „Peacocks Manifest“ nun einen eingängigen und ausgesprochen komischen Roman geschrieben, der von einem schnellen Beat aus Missgeschicken und Peinlichkeiten vorangetrieben wird. Peacock und Evil Bob verlieren ihre Songidee beinahe an die Konkurrenz, finden sich nach einem Besäufnis auf einer Karaoke-Bühne irgendwo im Mittleren Westen wieder, und als sie mal wieder ohne Geld sind, nehmen sie ein Engagement als House-DJs in einem Club an der Westküste an. Dumm, dass sie nur eine einzige CD im Gepäck haben. Während Bob zu einem Second-Hand-Laden um die Ecke läuft, eröffnet Peacock das Set zielsicher mit „Dreams of the Everyday Housewife“: „Der verflixte Glen Campbell. Meine Rettung, zum x-ten Mal.“ Peacock lässt die CD erst einmal durchlaufen, und den Rest des Abends bestreiten sie mit einem brasilianischen Karnevalsalbum, dem Soundtrack zu „Grease“ und einer Aerobicplatte von Jane Fonda: „Viel Auswahl war nicht dabei.“

Peacock Johnson und Evil Bob sind keine guten DJs, sie haben nur wenig Talent für Karaoke, und vermutlich ist auch die Idee mit dem „Rhinestone Cowboy“ nicht ganz so ein Mördereinfall, wie sie sich gegenseitig gerne nach einer halben Flasche Whiskey einreden: „Warte, bis du’s hörst.“ Die beiden sind die geborenen Verlierer, darüber können weder die Schlangenlederstiefel noch das Hawaiihemd hinwegtäuschen. Aber sie haben verstanden, worum es in ihrem Business geht: „Wir werden dich so belügen, wie wir uns selbst belogen haben“, haben Bill Drummond & Jimmy Cauty a. k. a. The KLF das Phänomen des Hype Mitte der Achtzigerjahre in der Einleitung zu ihrem Handbuch „Der schnelle Weg zum Nr. 1 Hit“ zusammengefasst.

Auch Stuart David, der sich mittlerweile von Belle & Sebastian getrennt hat und seitdem mit seinem ehemaligen Seitenprojekt Looper unter anderen den Soundtrack zu „Vanilla Sky“ produziert hat, weiß, wie es läuft. Er verlässt sich auch als Schriftsteller auf die bewährten Promotion-Strategien der Musikindustrie. Darum arbeitet er kräftig an verschiedenen Legenden rund um sein letztes Produkt. In Interviews erzählt er irritierten Literaturkritikern auf seinem Feriensitz in Teneriffa immer wieder neue Versionen über den „authentischen Fall“, der sich hinter „Peacocks Manifest“ verbirgt, und behauptet, dass der „wahre Peacock Johnson“ ihm die Rechte an der Geschichte streitig machen will.

Außerdem soll Evil Bob auf der nächsten Tournee mit Looper auf der Bühne stehen, mit Haarnetz und Schlangenlederstiefeln. Eine „killer idea“, wie Peacock Johnson sagen würde. Jetzt muss sich Stuart Davids Buch nur noch gut verkaufen. Sagen wir, eine Million Mal. Ach, was, zwei Millionen. Zehn Millionen, verdammt.

KOLJA MENSING

Stuart David: Peacocks Manifest (aus dem Englischen von Alexandra Hellbrück), Eichborn, Frankfurt 2003, 205 Seiten, 19,90 Euro